Dänemark gilt deutschen Politikern zunehmend als Vorbild. Denn dort haben ausgerechnet die Sozialdemokraten mit einem harten Kurs in Sachen Migration die Rechtspopulisten verdrängt. Wir fragen: zu welchem Preis?
Spätestens seit dem Terroranschlag in Solingen Ende August, bei dem unter anderem drei Menschen getötet wurden, gibt es in der deutschen Politik vor allem ein Thema: strengere Maßnahmen in der Asylpolitik. Die Grenzen in Deutschland müssen besser geschützt werden, fordert CDU-Chef Friedrich Merz. Finanzminister Christian Lindner von der FDP plädiert dafür, Dänemark als Vorbild für Migrations- und Asylpolitik zu nehmen.
Gezielte Abschreckung Geflüchteter
Alex Buchwald stammt aus Deutschland, lebt seit 13 Jahren in Dänemark und arbeitet dort als Lehrer. Den dort seit Jahren herrschenden harten Asylkurs beschreibt er so: Dänemark brüstet sich mit einer richtig streng rigiden Integrationspolitik und versucht, das Land in gewisser Weise abzuschotten.
Wie es zu diesem Kurs kam, hat Alex Buchwald, der in Dänemark selbst nicht wählen darf, miterlebt: Während der großen Flüchtlingsbewegung 2015 hat die Politik in Deutschland und Dänemark sehr gegensätzlich reagiert. Während die damalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mit "Wir schaffen das" eine liberale Einwanderungspolitik einstimmt, war Dänemark kaum bereit, Geflüchtete aufzunehmen.
"Deutschland ist vielleicht dort angekommen, wo Dänemark schon vor neun Jahren war."
Die Bilder der damals durch die EU streifenden Menschen waren Wasser auf den Mühlen der Rechtspopulisten, ordnet Alex Buchwald die Lage ein. Davon profitierte die Dänische Volkspartei bei den Parlamentswahlen im Sommer 2015. Mit 20 Prozent holte die Partei, die Alex Buchwald als rechts außen verortet, mehr Stimmen denn je. Im Parlament arbeiteten die anderen Parteien mit der Dänischen Volkspartei zusammen. Das liegt auch daran, dass die Regierung in Dänemark nie eine Mehrheit hat, erklärt Alex Buchwald. Das bedeutet, die Regierung muss immer wieder mit den anderen Blöcken, die von sozialdemokratisch, sozialistisch bis rechts außen reichen, Mehrheiten finden. Konsens ist in der dänischen Politik also oberstes Ziel. Und so hat umgekehrt auch die Dänische Volkspartei viele Jahre die dänische Regierung als Mehrheitsbeschaffer gestützt, erklärt Alex Buchwald.
Breiter politischer Konsens für strenge Asylpolitik
Über die Jahre, sagt Alex Buchwald, haben sich die rechten und extremen Positionen, was Asyl- und Migrationspolitik angeht, in Dänemark etabliert. Das bringt eine Folge mit sich, die in Europa so einzigartig ist. Im Verlauf der vergangenen Jahre ist die Dänische Volkspartei quasi bedeutungslos geworden. Dafür ist die gesamte Politik stark nach rechts gerückt. In der regierenden sozialdemokratischen Partei sind seitdem Aussagen zulässig, für die man in Deutschland aus der Partei ausgeschlossen werden würde, so Alex Buchwald.
Konkret beinhaltet die dänische Migrationspolitik folgende Punkte:
- Sukzessive Kürzung von Leistungen für Geflüchtete
- Erschweren des Familiennachzugs
- Aufenthaltsgenehmigungen von nicht länger als zwei Jahren
- Erklärung bestimmter Regionen in Krisengebieten zu sicheren Herkunftsregionen, zum Beispiel in Syrien, um Menschen leichter abschieben zu können
"Die Politik hat immer wieder versucht, ganz deutlich nach außen zu kommunizieren: Dänemark ist kein gutes Land für Geflüchtete. Wir wollen euch nicht, kommt hier nicht her."
Bundesfinanzminister Christian Lindner wirbt für diese Form der Migrations- und Asylpolitik auch für Deutschland. Natürlich könnte auch Deutschland eine härtere Linie fahren und sich etwas von Dänemark abschauen, sagt Korrespondentin Julia Wäschenbach. Rechtlich dürfte aber nicht alles umsetzbar sein, weil sich Dänemark beim EU-Beitritt Ausnahmen in der Asylpolitik rausgehandelt hat, die für Deutschland so nicht gelten.
Glück wird nicht mehr, wenn man es teilt
Alex fasst die Entwicklung in den letzten Jahren so zusammen: Die Menschen sind zwar immer noch nett, gleichzeitig ist der Ton in der Öffentlichkeit rau geworden. Die Grundstimmung beschreibt er als einwanderungsfeindlich. Für Migrant*innen bedeuten die strengen Vorgaben, dass sie sich noch schwerer integrieren können.
Doch wie passt dieser harte Schwenk nach rechts und jene Grundstimmung mit der Tatsache zusammen, dass die Dän*innen insgesamt so zufrieden sind? Laut World Happiness Report wird Dänemark seit Jahren immer wieder als eines der glücklichsten Länder der Welt gelistet. Julia Wäschenbachs Antwort ist: Dänemark ist ein kleines, reiches Land mit guten Sozialleistungen. Die Angst ist, dass, wenn mehr Menschen kommen, die Sozialleistungen benötigen, insgesamt weniger für die Dän*innen übrigbleibt. Und so halten sie an ihrem Glück fest genauso wie an der harten Einwanderungspolitik.
Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de