Fast alle haben ihn – den Schufa-Score. Das ist ein Wert, der angibt, wie kreditwürdig wir sind. In den USA wird inzwischen ein anderer Score genutzt: Der ermittelt, wie viel Kundinnen und Kunden für ein Unternehmen wert sind. Dementsprechend unterschiedlich werden sie dann behandelt.
Custumer Lifetime Value heißt das neue Score-System in den USA. Das funktioniert zum Beispiel so:
Besuchen wir eine Kneipe zum ersten Mal, sind wir einfach irgendein Gast und damit Kunde. Gehen wir regelmäßiger in diese Kneipe, bekommen wir irgendwann ein Bier aufs Haus – später vielleicht sogar ein paar Erdnüsse zum Bier. Die Kneipenbetreiberin macht das, weil wir als Stammgast dem Laden etwas wert sind.
Ähnlich wie die Kneipenbetreiberin machen es inzwischen viele Unternehmen – sie binden Konsumenten über Vorteile: Diese Vorteile können die Unternehmen anbieten, weil sie jede Menge Kundendaten sammeln. Auf Basis dieser Daten berechnen sie, wie viel Geld sie an den einzelnen Personen verdienen können. Die Unternehmen gehen dabei unabhängig von der Zustimmung der Konsumenten vor.
"Sie berechnen, wie viel Geld sie an dir verdienen können. Und das tun sie, ob du das willst, oder nicht."
Es geht darum, wie viel Geld wir voraussichtlich ausgeben werden
Ein Telefonanbieter beispielsweise könnte ausrechnen, wie viel Geld wir dem Unternehmen einbringen in der Zeit, die wir voraussichtlich dort Kundin sein werden, erklärt Thomas Reintjes. Sind wir eine treue Kundin mit einem teuren Vertrag, könnten wir als Vorteil beispielsweise bevorzugt in der Hotline behandelt werden. Oder wir bekommen ein super Angebot, damit wir den Anbieter nicht wechseln.
Drei Werte sind grundsätzlich nötig
Laut Peter Fader, Marketing-Professor an der Universität von Pennsylvania, seien nur drei Angaben nötig, um den Customer Lifetime Value einer Kundin oder eines Kunden zu berechnen.
- Wann wurde zuletzt eingekauft?
- Wie oft wurde eingekauft?
- Wie hoch war der Wert des Einkaufs?
"All I need to know is: when was the last time you bought from me? How many times have you bought? How large have those purchases been? That's it."
Die Formeln, um den Customer Lifetime Value zu berechnen, sind schon über 30 Jahre alt, so Reporter Thomas Reintjes. Peter Fader sei vor 15 Jahren drauf gestoßen und habe sie weiterentwickelt. Dann hat er zwei Firmen gegründet, die diese Scores berechnen – eine der beiden Firmen hat er an Nike verkauft.
Für die Ermittlung des Customer Lifetime Value nutzen die Firmen zudem weitere Daten: Diese stammten beispielsweise aus sozialen Medien, erklärt der Marketing-Professor Peter Fader.
"For that second stage, that's where you bring in the social media. That's where you bring in the demographics. That's where you bring in the media habits or people's location in the social graph."
Laut Thomas Reintjes käme auch künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz. Das mache zum Beispiel die Firma Asos, ein britischer Shop für Kleidung. Die relevanten Faktoren seien dabei:
- Wie viel wurde bestellt?
- Wie viel wurde zurückgeschickt?
- In welchem Land lebt der Kunde?
- Wie alt ist der Kunde?
- Wie viele Produkte wurden angesehen?
Alle diese Informationen fänden Eingang in ein Rechenmodell, sagt Thomas Reintjes. Die Firma möchte so herausfinden, ob die Kundinnen und Kunden für das Unternehmen wertvoll seien und auch, ob sie eventuell den Anbieter wechseln wollen.
Diese Informationen stammten aus einem Forschungs-Paper der Asos- Entwicklungsabteilung. Zu einem Statement war die Firma allerdings nicht bereit – ebenso wie andere Unternehmen, bei denen Thomas Reintjes nachgefragt hat.
Die dadurch entstehende fehlende Transparenz sei ein Problem, sagt unser Reporter. Denn die Sammlung der Kundendaten passiere ohne das Wissen der Konsumenten. Unklar sei außerdem, ob nicht weitere Faktoren aus dem Leben der Kunden mit einbezogen würden.
"Wer weiß, vielleicht werden ja auch noch ganz andere Faktoren mit einbezogen, wie: Hautfarbe, sexuelle Orientierung oder die Nachbarschaft, in der du wohnst."
Über die Legalität des Customer Lifetime Value
Laut Peter Fader bewegen sich einige Unternehmen in den USA im illegalen oder unethischen Bereich mit ihren Bemühungen. Verglichen damit sind die Regeln in der EU strenger, sagt Thomas Reintjes: Denn wegen der Datenschutzgrundverordnung könnten solche Scorings schneller illegal werden. Dennoch seien wir Kundinnen und Kunden auch innerhalb der EU nicht vollständig geschützt.
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