Wer Steuern hinterzieht und dabei erwischt wird, dem drohen empfindliche Strafen. Nicht so im Fall "Cum Ex". Da könnten jetzt Fälle verjähren, bevor die Ermittler überhaupt Verfahren einleiten konnten. Der Grund: Zu wenig Personal.
Der Fall "Cum Ex" hat sich zu einer riesengroßen Ermittlung ausgeweitet. Die Staatsanwaltschaft in Köln hat allein 50 umfangreiche Ermittlungskomplexe gegen 200 Beschuldigte eingeleitet, erklärt Massimo Bognanni, der für den WDR zum Fall Cum Ex recherchiert.
"Man muss sich das so vorstellen: Jeder einzelne Komplex ist so groß, wie ein riesiges Wirtschaftsstrafverfahren normalerweise insgesamt."
Das heißt: Einer ungewöhnlich großen Fallzahl stehen verhältnismäßig wenig Steuerfahnder gegenüber. Das zumindest haben die Quellen durchblicken lassen, mit denen das Investigativnetzwerk von WDR, NDR und SZ zusammenarbeitet. Den Recherchen zufolge stehen nur 20 Fahnder zur Verfügung, um all diese Fälle aufzuarbeiten. Um dem Thema aber gerecht zu werden, bräuchte es mindestens dreimal so viele Fahnder, hat der Bund der deutschen Kriminalbeamten erklärt.
Cum-Ex-Aufarbeitung: Ministerien in NRW setzen andere Prioritäten
Die zuständigen Ministerien in NRW sehen das anders. Dort herrscht die Meinung vor, dass die Fälle ausreichend betreut sind und es eben nicht noch mehr Fahnder und Ermittler geben müsse. Dabei geht es im Fall "Cum Ex" um Milliardensummen, um die der Staat betrogen wurde. Trotzdem besteht die Gefahr, dass Menschen, die sich im großen Stil der Steuerhinterziehung schuldig gemacht haben, am Ende ungestraft davonkommen. Denn Steuerhinterziehung verjährt nach zehn Jahren.
"Um es ganz kurz zu sagen: Es droht tatsächlich, dass einige Fälle jetzt schon verjährt sein könnten und dass auch künftig viele Fälle noch verjähren werden."
Die Verjährung kann nur dann unterbrochen werden, wenn rechtzeitig ein Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten eingeleitet wird, in diesem Fall Banker oder Broker. Weil es aber an Steuerfahndern fehlt, konnten diese Ermittlungen in vielen Fällen gar nicht erst eingeleitet werden.
Was viele wundert: Eigentlich müssten der Staat und die dazugehörenden Behörden ein großes Interesse an der Aufklärung der Fälle haben. Nicht nur, um zumindest Teile des Geldes zurückzubekommen, sondern auch, um das Vertrauen in die Gerichtsbarkeit des Staates nicht zu beschädigen.
"Eigentlich ist es unvorstellbar für uns als Bürger aber auch Journalisten, dass da solche Fälle wirklich liegen bleiben."
Massimo Bognanni hat den Eindruck, dass das Land Nordrhein-Westfalen gerade einfach andere Prioritäten setzt. In der Aufklärung von Clankriminalität gibt es aktuell dreimal so viele Stellen, wie im Fall "Cum Ex".
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