Ganz abschreiben müssen wir die Urlaubssaison wegen der Corona-Pandemie wohl doch nicht. Einige Fluglinien haben schon angekündigt, bald wieder fliegen zu wollen. Aber wie hoch ist das Ansteckungsrisiko im Flugzeug?
Wir haben gelernt: Geschlossene, enge Räume begünstigen eine Ansteckung mit den neuen Coronavirus. Im Flugzeug ist genau das der Fall – und Abstandhalten ist auch nicht immer einfach, allein, wenn man an den Ausstieg denkt. Tatsächlich sind bisher aber nur sehr wenige Übertragungsfälle durch Sars-CoV-2 in Flugzeugen bekannt. Und dabei hatte sich immer die Crew des Flugs angesteckt.
Zahlen zu einem anderen Virus aus der Coronaviren-Familie, der ähnlich ansteckend sein könnte, zeigen aber, dass es bei Flügen mit Infizierten bis auf Ausnahmen gar keine Ansteckungen gab.
Um das Ansteckungsrisiko mit dem neuartigen Coronavirus ebenfalls gering zu halten, arbeiten Fluggesellschaften und Behörden derzeit an den Sicherheitsmaßnahmen. Aber auch wir können aktiv das Risiko kleiner halten.
Effiziente Luftreinigung
Erst einmal eine grundsätzliche Entwarnung: Klimaanlagen in Flugzeugen sind keine Virenschleudern. Die Luft, die aus den Öffnungen über den Sitzen strömt, wird durch die Klimaanlagen genauso gut gereinigt wie in einem OP-Saal, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Sophie Stigler. Denn die Luft läuft durch einen feinporigen Filter, der den größten Teil der Bakterien, Viren und des Schmutzes überhaupt nicht durchlässt.
"Die Luft aus den Lüftungsöffnungen wird so gut gereinigt wie in Operationssaal in der Klinik."
Dazu wird die gefilterte, alte Luft ständig mit der gleichen Menge an Frischluft von außen verdünnt, sodass die Innenluft alle paar Minuten ausgetauscht wird.
Im Idealfall kaum seitliche Luftverbreitung
Schwieriger wird die Risiko-Abschätzung, wenn es um einen infizierten Passagier geht, der beispielsweise von hinten her Viren aushustet. Normalerweise werden die Luftströme im Flugzeug so geführt, dass die Luft nicht von vorne nach hinten oder seitlich, sondern von oben nach unten geblasen wird. Idealerweise sollte sich die Luft im Flugzeug also nicht verteilen, sagt Sophie Stigler.
Jedoch laufen die Lüftungen von Fliegern nicht immer auf Hochtouren, beispielsweise, wenn das Flugzeug noch steht. Sollte in diesem Fall eine infizierte Person niesen, würden sich die Tröpfen rundum verteilen. Gerade die großen Tröpfchen sind so schwer, dass sie sich auch von einem Windhauch nicht wegblasen lassen, sie können aber maximal ein bis zwei Meter weit fallen.
Höchstes Risiko: Zwei Reihen davor und dahinter
Laut der Weltgesundheitsorganisation haben vor allem die Personen, die in der gleichen Reihe, zwei Reihen vor oder hinter einer Infizierten Person sitzen, das größte Risiko, sich mit Sars-CoV-2 anzustecken. Auch der Bereich um die Flugzeugtoilette herum ist risikoreich, da hier infizierte Personen, die warten, ihre Viren verteilen könnten.
Zudem muss auch die Zeit vor und nach dem Flug bedacht werden: Beim Check-In, Boarding oder Ein- und Aussteigen könnte die Möglichkeit einer Ansteckung auch gegeben sein, erklärt Sophie Stigler.
Abstandsmarken und Maskenpflicht
Deshalb machen sich die EU-Luftfahrtsicherheitsbehörde, die Fluggesellschaften und auch die Flughäfen zurzeit viele Gedanken, wie man das Ansteckungsrisiko verringern könnte. Beispielsweise sollen Abstandsmarken wie in Supermärkten die Warteschlangen entzerren.
Beim Boarding sollen die Passagiere nur nach und nach in das Flugzeug gelassen werden, damit kein Stau im Flieger entsteht. Auch der Service an Bord wird reduziert, indem Wasser nur in Plastikflaschen und Essen wenn überhaupt nur in abgepackter Form ausgegeben wird.
"Beim Boarding sollen die Leute nur nach und nach zum Flugzeug durchgelassen werden. Auch der Service an Bord wird reduziert – man kriegt zum Beispiel nur Wasser in Plastikflaschen und Essen gibt es wenn überhaupt nur abgepackt."
Genau wie in Bussen und Bahnen soll auch im Flieger eine Maskenpflicht eingeführt werden. Verbindliche Regeln für das Boarding und den Flug an sich gibt es jedoch nicht, da sie von jedem deutschen Bundesland selbst aufgestellt werden.
Der Fensterplatz ist am kontaktärmsten
Ein heikler Punkt in jedem Flugzeug sind die Mittelplätze, da viele Studien belegen, dass das Transmissionsrisiko für Sitznachbarn hoch ist. Diese Sitze freizulassen, würde für die Fluggesellschaften aber weniger Einnahmen bedeuten, weshalb die Verbände vehement dagegen sind, sagt Sophie Stigler. Ihr Argument: In Bahnen und Bussen seien auch keine freien Plätze.
Zumindest planen die Anbieter bei nicht ausgebuchten Flügen, ihre Passagiere, wo es geht, auseinanderzusetzen. Der sicherste Platz ist laut der Emory University der Fensterplatz, da hier der wenigste Kontakt mit anderen Passagieren entsteht.
"Am wenigsten Kontakt haben die Leute auf den Fensterplätzen. Sie kommen nicht in Kontakt mit anderen, die auf dem Gang laufen und stehen auch selber weniger auf."
Außerdem kann jeder Passagier sein persönliches Umfeld, also die Schnalle vom Sicherheitsgurt, den Klapptisch oder das Fenster selbst nochmals desinfizieren, um auf Nummer Sicher zu gehen. Wer zudem die Lüftung auf Hochtouren laufen lässt und den Gang zum Klo vermeidet, kann das Ansteckungsrisiko im Flugzeug zumindest ein bisschen selbst beeinflussen.