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Iran ist von Covid-19 besonders stark betroffen – innerhalb von 24 Stunden hat sich die Zahl der Infizierten von 106 auf 254 mehr als verdoppelt, und die Sterblichkeitsrate ist deutlich höher als in anderen Ländern. Experten vermuten viel höhere Ansteckungszahlen als offiziell bekannt gegeben wurden. Und Irans Gesundheitssystem leidet unter US-Sanktionen.

Die Quote der Todesfälle durch Covid-19 liegt in Iran deutlich höher als andernorts – nämlich bei 10 Prozent. Überall sonst liegt sie bei etwa 2 Prozent. Ein Grund für diese deutliche Differenz könnte sein, dass die von der iranischen Regierung bekannt gemachte Zahl erkannter Fälle kleiner ist, als sie tatsächlich ist, erklärt die ARD-Iran-Korrespondentin Iran Karin Senz.

Diese Befürchtung teilt auch Christian Drosten, Leiter der Virologie an der Berliner Charité: Für die Zahl der erkannten Fälle seien das viel zu viele Todesfälle. Er bezeichnete die undurchsichtige Situation in Iran in einem Fernseh-Interview als sehr beunruhigend.

"Es wird nach aller Erwartung so sein, dass es eine unglaublich große Zahl von unerkannten Fällen in Iran vorhanden ist. Ich würde mich nicht wundern, wenn diese Zahl jetzt schon zwischen fünf- und zehntausend oder sogar noch etwas höher läge."
Virologe Christian Drosten bei "Maybrit Illner" am 27.02.2020

Karin Senz war bis vor kurzem vor Ort. Sie glaubt, dass die Regierung dort bis zu den dortigen Parlamentswahlen am 21. Februar versucht hat, dieses Thema möglichst zur Seite zu schieben, damit die Menschen sich trauen, zur Wahl zu gehen. Die Angst vor Ansteckung sei vorhanden gewesen, aber das nauartige Coronavirus sei noch nicht so präsent in den Medien gewesen, die überwiegend staatlich kontrolliert sind. Nun lasse sich die Lage aufgrund der vielen Infizierungen aber nicht mehr klein halten.

Iranische Regierung demonstriert offensives Vorgehen

Um die derzeitige Lage zu verbessern, versucht die iranische Regierung nun mit Videos, Plakatwänden oder SMS über das Virus aufzuklären, berichtet die Korrespondentin. Das soll zeigen, dass sie nun versucht offensiv dagegen vorzugehen, so Karin Senz. Eine weitere Geste, die das beweisen solle: Das Video des Vize-Gesundheitsministers, der sich ebenfalls mit Covid-19 infiziert hat.

Laut Karin Senz hat sich die grundsätzliche Haltung der iranischen Regierung aber nicht geändert. In den Medien heiße es stets: Die Situation ist im Griff und wird in ein paar Wochen erledigt sein.

Iranische Bevölkerung misstraut seiner Regierung

Das Vorgehen der iranischen Regierung schürt das Misstrauen der Bevölkerung, berichtet sie weiter. Und das war auch schon vorher groß: Erst im Januar schoss die Führung eine ukrainische Passagiermaschine über Teheran ab – das gab sie jedoch erst später zu. Für Karin Senz drückt sich das allgemeine Misstrauen auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen letzte Woche aus: Die lag gerade einmal bei 40 Prozent.

Iranisches Gesundheitssystem leidet unter US-Sanktionen

Das iranische Gesundheitssystem ist derzeit sehr schlecht aufgestellt, erklärt die Korrespondentin. Das liegt vor allem auch an den Sanktionen der USA. Die Zivilbevölkerung sollte darunter nicht leiden, tatsächlich aber machten sie sich im medizinischen Bereich bemerkbar. Laut Einschätzung von Karin Senz lässt sich die aktuelle medizinische Situation ohne die Lockerung der Sanktionen nicht in den Griff kriegen. Denn auch an einfachen Mitteln zur Verpflegung medizinischer Fälle würde es teilweise schon fehlen.

Shownotes
Covid-19
Zahl der Todesfälle in Iran ungewöhnlich hoch
vom 28. Februar 2020
Moderation: 
Till Haase
Gesprächspartnerin: 
Karin Senz, ARD-Korrespondentin für Iran