Die Gefühlswelten, in denen wir uns in Zeiten von Corona bewegen, fordern uns allerhand ab. Tiefenpsychologischen Umfragen des Kölner Meinungsforschungsinstituts Rheingold zufolge hat sich unsere Stimmung seit Beginn der Pandemie spürbar verschlechtert. Der Philosoph Christian Budnik denkt über das Vertrauen in der Krise nach.
Normalerweise, sagt Christian Budnik, sind die Vertreter des Staates weitgehend autark. Selbst bei Naturkatastrophen können sie Maßnahmen einleiten, ohne groß auf unsere Mithilfe setzen zu müssen. Bei einer Pandemie sei das anders. Diese Aufgabe könnten sie nicht allein bewältigen. Die politischen Akteure seien dabei auf unsere Unterstützung angewiesen.
Doch nicht nur die Politiker hätten Erwartungen daran, dass wir die von ihnen aufgestellten Regeln einhalten. Auch die Bürger selbst könnten zu Recht davon ausgehen, dass vernünftige Regeln zur Bekämpfung der Pandemie beschlossen würden.
Der Staat und die Bürger
Ein weiterer Kreis, an den sich unsere Erwartungen richten, sei der unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Von ihnen seien wir enttäuscht, wenn wir zum Beispiel im Supermarkt jemanden antreffen, die oder der keine Maske trägt.
"Weil wir nicht davon ausgehen können, dass die Mitbürger das von sich aus tun, erwarten wir von politischen Entscheidungsträgern Schritte, um die notwendigen Verhaltensweisen zu erwirken."
In derartigen Fällen, so unser Verständnis, müssten wiederum die Politiker ran und diese Situation "moderieren", so Christian Budnik – auch mit Strafen und Sanktionen. Er befasst sich in seinem Vortrag aus philosophischer Sicht ausführlich mit dem Begriff des "Vertrauens", der bei alldem eine große Rolle spielt.
Vertrauen oder Sich Verlassen?
Letztlich kommt der Redner zu dem Schluss, dass es wohl besser wäre, sich auf andere zu verlassen anstatt ihnen zu vertrauen. Dann wäre die Enttäuschung für uns nicht so groß, wenn sie sich nicht an die Spielregeln halten würden. Vertrauen sei eine emotional aufgeladene Einstellung, sich zu verlassen eine viel nüchternere Grundhaltung.
Christian Budnik ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Philosophischen Seminar der Universität Zürich. Zur Zeit vertritt er den Lehrstuhl für Praktische Philosophie und Ethik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Inhalte seines Hörsaal-Vortrages erscheinen ab dem 12. Februar auch in dem von Reclam herausgegebenen Sammelband "Nachdenken über Corona". Den Audio-Mitschnitt hat uns das Institut für Philosophie der Berliner Humboldt-Universität zur Verfügung gestellt.