Die Fußball-Chöre in den Stadien verstummt, Olympia fällt aus und selbst der Tennis-Stream fehlt. Längst hat die Corona-Pandemie auch den Sport lahmgelegt. Zeit für Athleten und Fans umzusatteln.
"Wir müssen jetzt die Köpfe hochkrempeln - und die Ärmel auch", hat Rasen-Kicker Lukas Podolski einmal optimistisch gesagt. Was aber, wenn der Rasen gar nicht mehr bespielt werden darf? Immerhin lebt der Sport von den Emotionen auf dem Feld. Sie reißen die Anhänger mit, sei es sonntags am Amateur-Spielfeldrand oder in einer Mega-Arena im WM-Finale der Profis. Dabei hat der Sport sich von so mancher Krise wirtschaftlich erholen können - denken wir nur an die Weltwirtschaftskrise 2009.
Wie sich die Pandemie für Sportler anfühlt
Doch in der Corona-Krise zeichnet sich schon jetzt ab, dass die Sportbranche nicht nur wirtschaftlich schwer leiden wird. Die Pandemie wird zur Belastung für das Selbstbewusstsein der Sportler und die Identifikation ihrer Anhänger. Leere Stadien und Geisterspiele werden zum Sinnbild.
Wie sich die Pandemie für Sportler anfühlt, weiß DLF Nova-Reporter Niklas Potthoff. Niklas spielt seit über 20 Jahren Fußball. Eigentlich würde er gerade auf "Hobbyniveau" in der Kreisliga über den Rasen flitzen. Noch vor der Ausnahmesituation rutschte Niklas in die Zwangsabstinenz. Eine Fuß- und Sprunggelenkverletzung sollte ihn für ein halbes Jahr flachlegen.
Als er die komplizierte Verletzung im März endlich auskuriert hatte, funkte dann Corona dazwischen. Mit seinen Jungs aus dem Team steht Niklas über WhatsApp in Kontakt. Jetzt wo er nicht mehr der Einzige ist, der nicht spielen kann, lässt sich die Sport-Abstinenz auch mit Witz und Ironie händeln.
"Es liegt jetzt nicht am Einzelschicksal von einem Einzelnen, sondern da ist irgendwie was Größeres im Gange und wir können alle nicht spielen. Das ist jetzt halt so."
Seit ein paar Wochen geht Niklas wieder draußen Joggen: "Der Ball am Fuß fehlt schon beim Laufen."
Auch Volleyballerin Maike geht nun regelmäßig laufen und macht Yoga. Den Teamsport ersetzt das für sie aber nicht. Denn normalerweise strukturieren Training und Spiele ihren Alltag. Das Positive: Maike empfand die Zeit vor Corona zum Teil als stressiger.
"Da blieb dann nicht mehr viel Zeit für andere Sachen."
Über WhatsApp und Instagram kann sie außerdem den Kontakt zu ihren Teamkolleginnen aufrechthalten. Den eigenen Saisonaufstieg allerdings nun per Videochat zu feiern, ist für Maike ein komisches Gefühl.
Ohne Sportveranstaltungen fehlen auch die Fanroutinen
Neben dem Sport an sich vermissen Fans auch das Sportgucken. Streamingportale stellen ihr Angebot jetzt um. Anstelle von Liveübertragungen gibt es in den nächsten Wochen Ausstrahlung längst vergangener Fußballklassiker. Diese werden einfach neu kommentiert.
Wie sehr gehen hartgesonnene Fans also derzeit trotz dieser Angebote auf dem Zahnfleisch? Laut Jonas Gabler vermissen die meisten Fans, neben dem Live-Fußball im Stadion und TV, vor allem die Routinen, die damit einhergehen. Sich zum Beispiel mit den besten Freunden zu treffen. "Da hängt ja auch sehr viel mehr dran, als nur das schnöde Fußballspiel gucken.", meint Jonas.
Viele Fans haben sich mit ihrem ersten Stadionbesuch in ihren Lieblingsverein verliebt. Viele engagieren sich sogar politisch für ihren Verein. Dabei sind es in erster Linie die Menschen, die man über den Verein kennenlernt, durch die ein familiäres Verhältnis zum Verein aufgebaut wird:
"Der Fanclub oder die Ultragruppe können tatsächlich eine familiäre Ersatzfunktion übernehmen, weil es ganz wichtige soziale Kontakte sind."
Normalerweise choreografieren die Ultras ihren Support im Stadion. Während Corona engagieren sich viele von ihnen ersatzweise im sozialen Bereich.
Fakten über Sport
- Sport reduziert Stress und hilft gegen Angst, Bedrücktheit, Burn-out und Demenz. Dafür ist das sogenannte „Glückshormon“ Dopamin verantwortlich. Da viele Krankheiten auch mit Stress in Verbindung stehen, empfehlen Forscher Sport als Vorbeugung. Das kann sogar nachhaltiger sein als Medikamente.
- Eine Studie zeigt, dass befragte Fußballprofis (22 Prozent der Männer und 13 Prozent der Frauen) in Europa seit der Coronakrise unter Depressionen leiden.
- Sport macht schlau. Laut Forschern aus Finnland verbessert regelmäßiges Ausdauertraining die maximale Sauerstoffaufnahme unseres Gehirns. Dadurch steigern sich Gedächtnisleistung, Reaktionsvermögen und Aufmerksamkeit.
- Sport lässt uns besser schlafen. Teilnehmer einer Studie, die ein moderates Training von 30 bis 40 Minuten absolvierten, steigerten so Qualität und Länge ihres Schlafs. Die Teilnehmer hatten zuvor leichte Schlafprobleme.
- Sport macht uns selbstbewusster. Nicht nur das Klettern aufs Siegertreppchen, sondern schon das Einhalten eines Trainingsplans tun uns gut.
- Seit 2006 gibt es ein Netzwerk schwul-lesbischer Fanclubs, das sich für die Toleranz gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten einsetzt.
Welchen gesellschaftlichen Beitrag hat Sport?
In einer Zeit, in der körperliche Arbeit zunehmend an Bedeutung verliert, hat Sport primär positive Einflüsse auf unser Gesundheitsbewusstsein. Joggen, Yoga oder Muskeltraining können ein guter Ausgleich zum täglichen Sitzen am Schreibtisch sein.
Sport fordert außerdem, wie unsere Gesellschaft, Leistung, Wettkampf und Chancengleichheit. So sind etwa Sportvereine nach Strukturen aufgebaut, die auch in unserer Demokratie verankert sind. Ob Shakehands mit dem Gegner, Konfliktlösungen oder Teamspirit: Im Idealfall stärkt Sport sogar unser soziales Verhalten. Darüber hinaus können sportliche Aktivitäten Selbstfindung und Selbstverwirklichung ankurbeln. Wichtig ist das im Besonderen für die Lebensqualität von Senioren und Menschen mit Behinderung.
Außerdem hilft der Sport manchen von uns bei der Identifikation. Zum Beispiel mit der Dorfgemeinde oder der Wahlheimat. Aber auch im Zuge gegenwärtiger Integrationsdebatten spielen Fußball und Co. hier eine entscheidende Rolle. Kinder mit Migrations- und Fluchthintergrund sowie Menschen aus sozial schwächer gestellten Familien entwickeln im Mannschaftsgefüge ein Gemeinschaftsgefühl. Sport kann, muss aber nicht als Spaß empfunden werden. Manchmal geht es nur um das langfristige Ziel: gesund zu altern.
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