Kinder, die an einem Mund-Nasen-Schutz ersticken oder Haie, die für einen Corona-Impfstoff getötet werden – das sind nur zwei der vielen Falschmeldungen, die gerade im Netz kursieren. Richtig gefährlich werden sie aber, wenn sie das Netz verlassen.
Ganz am Anfang der Corona-Pandemie waren es meist Kettenbriefe oder Sprachnachrichten, die die Unsicherheit der Menschen über das neuartige Virus ausgenutzt haben – teilweise noch harmloser Natur. Mit dem Verlauf der Pandemie haben die Falschmeldungen aber nicht nur zugenommen, sie sind auch gefährlicher geworden und hatten ernste Folgen, erklärt Andre Wolf vom Portal Mimikama, der Fakes aufdeckt und seit Beginn der Pandemie einiges zu tun hat.
Vor allem in den letzten zwei bis drei Wochen fiel auf, dass besonders starke Falschmeldungen verbreitet wurden, berichtet Andre Wolf. Die Aktuellste: Auf einer Coronaleugner-Demonstration am vergangenen Wochenende sei ein Journalist des WDR absichtlich mit Reichstagsflaggen herumgelaufen, um ein bestimmtes Szenario zu inszenieren.
Vier Eskalationsstufen
Andre Wolf und seine Kolleginnen und Kollegen haben seit Beginn der Pandemie verschiedene Eskalationsstufen von Falschmeldungen erkennen können. Nach den eher harmlosen Kettenbriefen, die noch vor den Corona-Einschränkungen im Umlauf waren, gab es eine zweite Eskalationsstufe zu Beginn der Einschränkungen. Hier wurden "bewusst konträre Medizinermeinungen gesucht und entgegen dem allgemeinen wissenschaftlichen Konsens im Netz überhöht dargestellt", erklärt Andre Wolf.
"Wir haben tatsächlich bereits seit März mit ganz vielen Falschmeldungen rund um das Coronavirus zu kämpfen."
Anfang April kam es dann zu einer dritten Eskalationsstufe: der Verbreitung von Verschwörungsmythen. Für Andre Wolf waren diese Verschwörungsmythen besonders gefährlich, denn sie hätten Staat und Regierung zwar nur indirekt angegriffen, damit aber viel Skepsis und Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber den Corona-Maßnahmen ausgelöst.
Eine Folge: Viele Menschen seien auf die Straße gegangen und hätten die wirren Verschwörungsmythen auch außerhalb des Netzes verbreitet. Beispielsweise kam so die Geschichte um das Stoffwechselprodukt Adrenochrom in Umlauf: Gewisse Eliten würden dabei Kindern dieses Hormon abnehmen und selbst einnehmen, um so ewig jung zu bleiben.
Vom Netz auf die Straße
Wenn Verschwörungsmythen das Netz verlassen und Menschen dazu veranlassen, in der Realität gewalttätig zu werden, sprechen Andre Wolf und seine Kollegen von der vierten und gefährlichsten Eskalationsstufe.
Auch das konnte im Zuge der Corona-Pandemie beobachtet werden: Polizisten und Sicherheitspersonal wurden angegriffen, 5-G-Masten wurden zerstört, da ihnen nachgesagt wurde, sie würden das Coronavirus verbreiten und auch auf Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen konnte man Ausschreitungen beobachten.
"Die vierte Eskalationsstufe ist die eigentlich gefährliche: Sie bedeutet, dass Menschen außerhalb des Netzes – angetrieben von Verschwörungsmythen – in der Realität Gewalt anwenden."
Der "berühmte, angebliche Lauf auf den Reichstag" sei ebenfalls durch Verschwörungsmythen ausgelöst worden, erzählt Andre Wolf.
Recherche ist alles
Wer glaubt, auf eine Falschmeldung gestoßen zu sein, dem rät Andre Wolf seinen Informationskonsum zunächst zu entschleunigen und zu hinterfragen, ob die gelesene oder gesehene Geschichte so stimmen kann oder möglicherweise übertrieben ist. Wer bei der eigenen Quellen- oder Bildrecherche nicht weiterkommt, kann sich auf Portalen wie Mimikama oder beispielsweise dem Tagesschau-Faktenfinder informieren.
Was ihr tun könnt, wenn Familienmitglieder, Freunde oder Bekannte von Verschwörungsmythen Gebrauch machen, könnt ihr hier nachhören.