In der Reihenfolge der Corona-Impfungen werden zuerst alle ab 80 Jahren und stark gefährdete Personengruppen geimpft. Dazu gibt es viel Kritik. Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, war an der Empfehlung beteiligt und erklärt, warum es genau diese Priorisierung braucht.
Am 27. Dezember soll es mit den Corona-Impfungen losgehen. Nach der Zulassung am 21. Dezember sollen laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn rund 400.000 Impfdosen nach Deutschland kommen, im Laufe des ersten Quartals 2021 dann zwischen 11 und 13 Millionen.
Die Impfdosen reichen also erst mal nicht für alle. Für die Impfreihenfolge hat Spahn heute (18.12.20) eine Verordnung unterschrieben.
Trotzdem ebbt damit die Welle der Kritik nicht ab. In der Debatte um die Impfstrategie gibt es neben den medizinischen Experten und der Politik, viele andere Interessengruppen, die ihre Risikogruppe höher priorisieren würden.
Alena Buyx ist die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates. Der hat zusammen mit der Ständigen Impfkommission (Stiko) und der Wissenschaftsakademie Leopoldina eine Empfehlung abgegeben, die Grundlage für die Entscheidung der Bundesregierung ist.
"Wer stirbt zuerst?"
Für die Priorisierung der Risikogruppen nennt Alena Buyx zwei wesentliche Gründe, die neben vielen ethischen und rechtlichen Grundsätzen ausschlaggebend waren. Zum einen liegt das Risiko für die über 80-Jährigen um ein Hundertfaches höher, schwer an Covid-19 zu erkranken und zu sterben, sagt sie.
Junge Menschen als Überträger
Zum anderen sei aktuell noch nicht bekannt, ob die Impfstoffe, die bald zum Einsatz kommen, verhindern, dass eine geimpfte Person das Virus weitergeben kann. Das sei vor allem für die Priorisierung von Menschen entscheidend, die jung und gesund sind: Sie zählen in erster Linie zu den Überträgern des neuartigen Coronavirus. Zudem erkranken sie im Vergleich zu den höher priorisierten Risikogruppen weniger oft an Covid-19, erklärt sie. Auch würden bei ihnen die Krankheitsverläufe nicht so schwer ausfallen wie bei den stark gefährdeten Personengruppen. Ähnlich sehe es mit den Todesfällen aus.
"Wenn wir für alle genug hätten, wäre es natürlich sinnvoll, dass wir allen, die das gerne möchten, sofort die Impfung geben – aber das haben wir nicht. Dann müssen wir gucken, wer stirbt als erstes?"
Ist ein Mensch jung und gesund, geht es darum, das Weitertragen des Virus zu vermeiden. "Wir wissen aber noch gar nicht, ob das überhaupt sicher vermeidbar ist. Da wäre es ethisch gesehen extrem problematisch zu sagen: 'Wir gucken jetzt mal und gleichzeitig sterben die Menschen'", erklärt sie.
Die Impfstrategie richtet sich deshalb nach der Frage: Was weist darauf hin, wer die höheren Gefahren hat? Wer gefährdet sich mehr und wer stellt dann selbst wieder eine Gefahr für andere dar?
Fakt ist: Es gibt eine Abstufung darin, für welche Personen- oder Berufsgruppe das Risiko am höchsten ist, weil sie sich und potenziell auch andere gefährden, so Alena Buyx, zum Beispiel das Personal auf Intensivstationen.
Impfen als moralische Pflicht
Eine direkte Empfehlung zu einer Impfpflicht hat der Ethikrat übrigens nicht ausgesprochen. Alena Buyx persönlich sieht aber eine moralische Pflicht, sich impfen zu lassen – zum Schutz aller. Arbeiten alle zusammen, ist sie zuversichtlich, dass es einen Weg aus der Pandemie gibt.
"Ich glaube, die Leute werden realisieren, das ist der Weg, wie ich mich schützen kann, so können meine Lieben geschützt werden und so können wir alle aus dieser Sache raus."