Bei Grenzkontrollen und Quarantänemaßnahmen hat jeder EU-Staat sein eigenes Süppchen gekocht. Die EU-Kommission will heute Vorschläge machen, wie die Grenzen nach und nach wieder aufgemacht werden könnten - möglichst nach denselben Kriterien.
Was Grenzkontrollen und Quarantänemaßnahmen für Einreisende betrifft, ist Europa mit unterschiedlichen Gveschwindigkeiten unterwegs, berichtet Deutschlandfunk-Nova-Korrespondent Paul Vorreiter aus Brüssel.
- Die Grenzen bleiben "bis auf Weiteres" geschlossen, hören wir aus Frankreich
- In Polen hat die Regierung die Quarantäneregeln Anfang des Monats etwas gelockert und lässt Berufspendler, Studenten und Schüler jetzt wieder ohne 14-tägige Quarantäne einreisen. Diese Erlaubnis gilt aber nicht für medizinisches Personal.
- Griechenland möchte im Juli den Tourismus im Land wieder ankurbeln und dafür die Grenzen aufmachen.
- Tschechien will seine Grenzen zu Deutschland, Österreich, Polen und der Slowakei bis Juli vollständig öffnen.
- Österreich will seine Kontrollen an der Grenze zu Deutschland am 15. Juni beenden.
Auch die deutsche Bundesregierung hat jetzt Lockerungen der Grenzkontrollen beschlossen: Ab dem 16. Mai sollen sie vorsichtig gelockert werden, ab dem 15. Juni dann vollständig ausgesetzt.
Ein einheitliches Vorgehen für alle Mitgliedstaaten verordnen kann die EU-Kommission zwar nicht – sie bietet den Ländern jetzt aber Leitlinien an.
Empfehlungen der EU-Kommission
Die Empfehlungen sind zwar noch nicht veröffentlicht worden, es sei aber bereits durchgedrungen, dass mehrere Kriterien erfüllt sein sollen, wenn Länder oder Regionen sich entscheiden, die Grenzen zu öffnen.
Auf beiden Seiten der Grenze soll das Virus mehr oder weniger gleich gut unter Kontrolle sein:
- Die Infektionszahlen sollen sich ähnlich gut entwickeln
- Die Krankenhäuser müssen gut aufgestellt sein
- Infektionen müssen nachverfolgt werden können, zum Beispiel mit Apps
Die Länder sollen die Grenzen koordiniert wieder öffnen, wünscht sich die EU-Kommission. Dabei soll niemand diskriminiert oder bevorzugt werden: Die Grenzen eines Landes sollen also nicht nur für Inländer, sondern immer auch für die anderen EU-Bürger fallen.
In einem letzten Schritt soll dann irgendwann auch die Einreise in die EU von außen wieder unkompliziert möglich sein.
"Ich denke nicht, dass das so einheitlich überall hinhaut. Die EU-Kommission gibt ja nur Empfehlungen. Die Mitgliedsstaaten müssen am Ende selber entscheiden, welchen Weg sie gehen."
Ein vollständig gemeinsames Vorgehen der EU-Staaten ist eher unrealistisch, sagt unser Korrespondent. Für den Fall, dass sich die EU-Staaten nicht auf einheitliche Reise-Regeln einigen können, habe zum Beispiel Athen bereits Kontakte mit Israel, Zypern, Österreich, Australien, Bulgarien und anderen Staaten aufgenommen.
Verschiedene Tourismus-Abkommen?
So wie Griechenland haben nämlich auch diese Länder bislang wenige Corona-Fälle gehabt. Auf bilateraler Ebene sollen Regeln für Reisen ausgehandelt werden, damit der Fremdenverkehr wieder starten kann. Auch Kroatien schwebt offenbar ein Tourismus-Abkommen vor – und zwar mit Deutschland. Andere Länder können an so etwas momentan noch gar nicht denken: In Belgien etwa können sich die Menschen noch immer nicht frei im Land bewegen.
Terry Reintke hängt seit zwei Monaten in Brüssel fest
Terry Reintke, 33 Jahre alt, sitzt für die Grünen im EU-Parlament. Auch sie ist dafür, die Grenzen zu öffnen – auch aus "Eigeninteresse", wie sie uns erzählt. Denn sie wohnt in Gelsenkirchen und arbeitet in Brüssel. Und genau dort hängt sie seit acht Wochen fest und kommt nicht mehr zurück.
Es gebe Situationen, in denen es sinnvoll sei, Grenzen zu schließen, sagt Reintke. Und im Schengenraum sei das ja auch möglich – zeitlich begrenzt und in der angemessenen Verhältnismäßigkeit.
Die Schließung der Grenzen sei in der Corona-Krise aber "sehr reflexartig" gekommen. Das müsse jetzt so schnell wie möglich rückgängig gemacht werden. An bestimmten Stellen könnten die Grenzen schon jetzt wieder aufgemacht werden.
Terry Reintke hofft, dass die Menschen – auch ohne geschlossene Grenzen – verstehen, dass sie nach wie vor vorsichtig sein müssen und nicht sofort wie früher hin- und herfahren sollten.
Infektionsfälle gebe es ja nicht nur in Belgien, sondern auch in Deutschland. Daher sei es "einfach rational nicht erklärbar, dass meine Schwester aus Frankfurt nach Hause fahren kann, ich aber nicht".
Jeden Schritt im Detail erklären
Der Großteil der Bürgerinnen und Bürger könne immer noch nachvollziehen, weswegen bestimmte - auch einschneidende - Maßnahmen getroffen werden, glaubt Terry Reintke.
Wichtig sei, alle Schritte immer im Detail zu erklären. Neben den Grenzkontrollen gibt es auch noch die Quarantänemaßnahmen. Auch hier müsse von Fall zu Fall geprüft werden, ob diese Maßnahmen auch wirklich Sinn machen, sagt Terry Reintke. Der europäische Binnenmarkt müsse geschützt werden.
"Ich glaube, wir müssen schauen, wie wir es hinbekommen, unseren gemeinsamen Binnenmarkt zu schützen."