Das Beruhigungsmittel Contergan hat in den 1950er Jahren massive Fehlbildungen bei Tausenden von Embryonen verursacht. Ende 1961 nahm der Pharmakonzern Grünenthal das Medikament vom Markt. Die Aufdeckung des Medikamentenskandals veränderte den Umgang mit Medikamenten in Deutschland. Viele Betroffene leiden allerdings bis heute unter unterschiedlich starken Schmerzen und nehmen verschiedene Therapien in Anspruch, damit sich ihr Gesundheitszustand nicht weiter verschlechtert, erzählt der Vorsitzende des Bundesverbands für Contergangeschädigte Georg Löwenhauser im Interview.
Am 18. Januar 1968 wurde das Hauptverfahren im Contergan-Skandal von der Großen Strafkammer des Landgerichts Aachen eröffnet. Neun Angeklagte der Firma Grünenthal, die das Beruhigungsmedikament Contergan mit dem Wirkstoff Thalidomid seit 1957 vertrieben hat, standen wegen vorsätzlicher und fahrlässiger Körperverletzung, wegen fahrlässiger Tötung und wegen schweren Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz vor Gericht.
"In mir persönlich steckt keine Wut. Ich hab ein Leben, und das ist gut so. Ich wüsste nicht, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich nicht Contergan geschädigt geworden wäre."
Der Contergan-Prozess dauerte bis zum April 1970 und endete nach Anhörung von 120 Zeugen mit einem Vergleich: Das Verfahren wurde eingestellt gegen die Zahlung von 100 Millionen Deutsche Mark durch die Firma Grünenthal. Mit dem Geld wurde die Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" gegründet, die später in "Conterganstiftung" umbenannt wurde.
Weltweit sind bis zu zehntausend Kinder mit Fehlbildungen zur Welt gekommen, weil ihre Mütter in den ersten Monaten der Schwangerschaft Contergan eingenommen hatten. Das Medikament war rezeptfrei erhältlich und wurde wegen seiner beruhigenden Wirkung von Ärzten und Apothekern empfohlen.
Während das Medikament bei den Müttern keine Schäden sondern die erhoffte Wirkung entfachte, führte Contergan bei ihren Embryonen zu schweren Fehlbildungen oder dem Fehlen von Gliedmaßen und Organen. Erst als zwei unabhängige Gutachten den Zusammenhang zwischen der Einnahme von Contergan und den Fehlbildungen bei Neugeborenen festgestellt hatten, wurde das Mittel am 27. November 1961 vom Markt genommen.
In Eine Stunde History hört ihr:
- Georg Löwenhauser, der Vorsitzende des Bundesverbands Contergangeschädigter, schildert das ambivalente Verhältnis von Contergangeschädigten zur Firma Grünenthal.
- Der Pharmakonzern Grünenthal stellt sich seiner Verantwortung, sagt Tom Hermes von der Grünenthal-Stiftung.
- Niklas Lenhard-Schramm, Historiker der Universität Münster, erklärt, was sich nach dem Contergan-Skandal in der Pharmabranche geändert hat.
- Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld über die Suche nach den Ursachen der vielen Fehlbildungen bei Neugeborenen Anfang der 1960er Jahre.