Manche Computerspiele überzeugen mit einer Geschichte, die uns in den Bann zieht: In "The Wreck" muss Junon mit den fatalen Folgen eines Autounfalls umgehen. In "Terra Nil" müssen ausgedörrte Landschaften wieder aufgeforstet werden.
Es gibt Computer-Games, die uns bewegen und deren Handlung unter Umständen sehr emotional ist. Games-Expertin Jana Reinhardt findet, dass solche Games auf andere Art Spannung erzeugen.
"Ich finde Games immer spannend, die sich mit sehr emotionalen Themen auseinandersetzen: Themen, die vielleicht auch Spieler abschrecken, weil sie so hart sind."
So etwa in dem Indie-Game "The Wreck": Es beginnt im Krankenhaus. Junon wartet, denn ihre Mutter erleidet nach einem schweren Unfall, in dem auch sie im Auto saß, eine Gehirnblutung. Sie muss nun als Bevollmächtigte entscheiden, ob die Ärzte weiter operieren. Das Verhältnis zu ihrer Mutter aber ist kompliziert.
Mit Zeitreisen durch "The Wreck"
Junon erzählt die ganze Geschichte ihrer eigenen Vergangenheit ihrer Tochter Astrid. Immer wieder reisen wir als Gamer mit Junon in Form von Zeitreisen zu ihrem früheren Ich. Der besonders harte Clue: Junons Tochter Astrid saß ebenfalls im Auto und ist bei dem Unfall ums Leben gekommen. Indem Junon ihr im Kopf die Geschichte erzählt, verarbeitet sie diesen schweren Verlust.
Zu einer Zeitreise kommt es immer dann, wenn Junon eigentlich lieber vor ihren Problemen weglaufen will, wenn die Gespräche, die sie führen muss, zum Beispiel mit ihrer Schwester und ihrem Ex-Freund, emotional eine Grenze erreichen. Dann haut sie ab, rennt zu ihrem Auto, will nach Hause fahren und erlebt den Unfall noch einmal.
Jedes Mal wird ein anderes Objekt, das beim Aufprall durch das Auto gewirbelt wird, fokussiert und weckt eine Erinnerung. In diese Erinnerungen reist Junon durch die Zeit, und wir als Gamer steuern durch, können vor- und zurückspulen und die Erinnerung auch verändern. Nach und nach wird sich Junon über ihre Gefühle in den jeweiligen Erinnerungen bewusst und kann sie verarbeiten.
"Die Entwickler vermuten, dass einige Spieler solche Art von Games meiden, weil sie sie vielleicht traurig machen könnten - dabei bieten solche Games die Möglichkeit, Lösungen auszuprobieren und im Grunde eine positive Geschichte von Heilung zu erzählen."
Entwickelt wurde das Spiel von Studio The Pixel Hunt aus Paris. Nicht zum ersten Mal inszenieren sie eine so persönliche Geschichte: In ihrem erfolgreichen Game "Bury Me My Love" geht es um eine junge Frau, deren abenteuerliche Flucht aus Syrien über eine Whatsapp-Erzählung miterlebt wird.
Obwohl "The Wreck" großartig geschrieben und inszeniert ist, wie die Games-Expertin findet, verkauften die Entwickler nur etwa tausend Einheiten. Die Entwickler selbst vermuten, dass es an den Emotionen liegen könnte, die das Spiel hervorruft. Außerdem gibt es im Vergleich zu anderen Computergames nur wenig Möglichkeiten, als Gamer selbst aktiv zu werden.
Umweltzerstörung in "Terra Nil"
"Terra Nil" packt emotional auf eine andere Art und Weise, mit einem Thema, das uns alle betrifft: Die Umweltzerstörung ist so weit fortgeschritten, dass es in den Landschaften des Games nichts mehr gibt. Mit futuristischen Maschinen sollen wir die Landschaften wiederbeleben.
Wir müssen also Windräder als Energiequelle bauen, Entgifter einsetzen, um den Boden zu reinigen und Bewässerungsanlagen installieren.
"In der zweiten Phase müssen wir diese Grünflächen jetzt in Biotope umwandeln: Feuchtgebiete, Bienenwiesen, Wälder, Korallenriffe usw."
Ist die erste Phase abgeschlossen, geht es an die Grünflächen. Hier sollen wieder Biotope entstehen. Das Spiel gibt vor, wie viel Prozent der Fläche Regenwald sein soll oder welche Luftfeuchtigkeit und Temperatur wir künstlich erzeugen müssen, um mehr Tiere und Pflanzen anzulocken.
In der dritten und letzten Phase müssen wir schließlich unsere Maschinen wieder abbauen und wieder verschwinden. Gerade diese Phase findet Games-Expertin Jana Reinhardt für ein Aufbauspiel sehr spannend.
Entwickelt wurde das Game von Free Lives aus Südafrika, die vor allem für ihre absurden Actiongames bekannt sind. "Terra Nil" ist das Gegenteil, doch die Entwickler wollten der Apathie, in die die Menschen angesichts der Klimakrise oft verfallen, etwas entgegensetzen.
"'Terra Nil' ist nichts für Hardcore-Aufbaustrategen, aber für abends zum Runterkommen haben die Level genau die richtige Größe und Komplexität."
Handlungsmöglichkeiten statt Verzweiflung – auch wenn sie nur fiktiv sind. Dennoch haben die Entwickler von den Einnahmen einen kleinen Beitrag in der Realität geleistet: Von den Einnahmen wurden 50.000 Bäume gepflanzt.