Pascal Kaiser, Amateur-Fußballschiedsrichter, hat sich vor fast zwei Jahren als bisexuell geoutet. Seitdem holen sich auch Profifußballer Rat bei ihm, die sich outen wollen. Doch die Ängste sind groß, sagt Pascal Kaiser. Und er weiß, warum.
Pascal Kaiser, 25, hat sich vor knapp zwei Jahren eher zufällig als bisexuell geoutet. Dann kam das erste Spiel, das er als ist Amateur-Fußballschiedsrichter pfeifen musste: "Ich habe zu meinen Assistenten in der Kabine gesagt: Ich weiß nicht, ob ich da raus kann, ob ich das wirklich kann. Ich habe Angst."
"Dann standen die Mannschaften und die Vereinsverantwortlichen da Spalier und haben mich beklatscht. Das war sehr emotional und sehr, sehr schön."
Inzwischen hat sein Coming-out weite Kreise gezogen und so ist er auch Teil der Kampagne "Sports Free – Coming-out im Profisport" geworden. Ein Ziel der Kampagne war, dass sich am Internationalen Tag gegen Homo- Bi- und Transphobie, dem 17. Mai, auch mehrere Profifußballer outen.
"Es wäre einfach nur ein schönes Zeichen, damit vielleicht auch Spieler, die sich wünschen, offen homosexuell zu leben, sehen, dass es geht und es nicht so viel negativen Wind dagegen gibt wie erwartet."
Doch noch ist das angekündigte Coming-out der Profifußballer nicht erfolgt. Pascal Kaiser steht mit mehreren in Kontakt. Die Spieler holen sich Rat bei ihm, teilen ihre Sorgen und Ängste, erzählt er. Vor allem diskutieren sie die Frage, ob das Coming-out im Rahmen der Kampagne jetzt der richtige Zeitpunkt ist.
"Ich habe Kontakt zu drei Profis, die sich alle outen möchten. Aber keiner will der Erste sein."
Es ist ein großer Schritt, die eigene Sexualität in der Öffentlichkeit so preiszugeben. Die Spieler fürchten die Reaktionen in den Medien, von den Fans, den Spielerkollegen und im Deutschen Fußballbund (DFB), sagt Pascal Kaiser. Zwar nimmt der DFB die Regenbogenfahne in sein Logo auf, "aber wirklich dahinterstehen, tun sie nicht", sagt Pascal Kaiser. Der DFB könne bei dem Thema mehr tun als bisher, sodass mehr darüber gesprochen werde und Aktionen für die LGBTQI-Community stattfinden würden. Für Pascal Kaiser ist deshalb klar: "Wenn mein Arbeitgeber nicht dahintersteht, dann würde ich als Angestellter diesen Schritt auch nicht gehen."
Homophobie in deutschen Sportvereinen
"Homofeindlichkeit und vor allem homofeindliche Sprache im Sport, insbesondere im Fußball, sind immer noch ein großes Problem", bestätigt Raphael Spät aus der DLF-Sportredaktion. Wissenschaftliche Untersuchungen haben diese homophobe Haltung nachgewiesen.
"Homofeindliche Sprache ist immer noch Alltag auf allen Sportplätzen in ganz Deutschland."
Zwar gibt es Stellen für Diskriminierung in Vereinen und auch queere Fanclubs, doch in der Jugendarbeit wird noch zu wenig gegen homophobe Einstellungen getan, sagt Raphael. Jugendtrainer und -trainerinnen bringen ihre Sichtweisen mit in den Umgang mit Kindern und Jugendlichen. "Da muss angesetzt werden", betont Raphael. Hier liegt die Verantwortung bei den Verbänden, den Trainer*innen entsprechende Fortbildungen und Workshops anzubieten, um sie für das Thema zu sensibilisieren. "Damit dann, wenn Diskriminierungsfälle auftreten, sie schnell erkannt werden und die richtigen Maßnahmen erfolgen können", meint Raphael.
Warum Schwulsein ein Tabu ist
Bislang haben die Vereine es nicht geschafft, ein inklusives Umfeld zu schaffen, das Profisportler ermutigt, zu sich selbst und zu ihrer sexuellen Orientierung zu stehen. Auch am Beispiel von Thomas Hitzlsperger zeigt sich, dass sein Coming-out 2014 nicht dafür gesorgt hat, dass sich die strukturellen Probleme im Sport verändert haben. Und das wird wohl auch der Grund sein, warum sich im Rahmen der "Sports Free"-Kampagne doch noch keine Profifußballer geoutet haben.
Organisator der Kampagne ist Marcus Urban, der in den Neunzigerjahren seine Karriere beendet hat, weil der Druck für ihn als nicht geouteter Profi zu hoch war. Geplant war ein Gruppen-Coming-Out, doch bislang hat sich keiner getraut.
Was der DFB tun kann
Wie der DFB zu einer Veränderung der homophoben Haltung im Fußball beitragen kann, dazu hat Pascal Kaiser ein paar Ideen: Zum Beispiel könnten Fußballer und DFB-Verantwortliche, die sich geoutet haben, auf einem Truck beim Christopher Street Day mitfahren. Außerdem könnte der DFB homophobe Aktionen in Stadien unter Strafe stellen, sodass schon während des Spiels Konsequenzen erfolgen. Und im Regelwerk des DFB könnte verankert werden, dass Spiele unter- oder abgebrochen werden, wenn diskriminierende Aktionen stattfinden.
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