Claudia ist ein "Downwinder". Das sind Menschen, die in der Windfahne von Atomwaffentests gelebt haben. Sie hat die überirdischen Atomtests als Kind sogar gesehen, das war in den fünfziger Jahren, rund 300 Kilometer entfernt von ihrer Heimatstadt St. George im US-Bundesstaat Utah. Damals wussten die Menschen dort zwar, dass im angrenzenden Bundesstaat Nevada Atombomben getestet wurden. Aber sie wussten nicht, was ein "Fallout" ist: Denn durch die Explosion der Atombombe wird radioaktiver Staub in die Atmosphäre katapultiert und vom Wind verteilt. Dieser Staub ist gefährlich, denn er kann Krebs verursachen. Lange will in St. George niemand davon wissen. Aber irgendwann werden immer mehr Menschen krank und sterben – auch viele Menschen in Claudias Familie: ihr Vater, ihre Schwester und auch ihre kleine Tochter. Da kann Claudia nicht mehr die Augen verschließen: Sie sucht nach den Ursachen.
Anmerkung: Dieser Text ist die Grundlage für einen Radiobeitrag. Der beinhaltet Betonungen und Gefühle, die bei der reinen Lektüre nicht unbedingt rüberkommen. Außerdem weichen die gesprochenen Worte manchmal vom Skript ab. Darum lohnt es sich, auch das Audio zu diesem Text zu hören.
Claudia Peterson: You know I was so small. There is only one that I really remember. It was an evening, one. I remember I was on our swing set with my brother…
Ich sitze mit Claudia Peterson am Küchentisch in ihrem Haus in der Kleinstadt St. George. Sie erzählt mir hier von ihrer Kindheit und wie sie zum ersten Mal eine Atombombe explodieren sieht. Es ist das Jahr 1958 oder 59, Claudia weiß es nicht mehr genau, sie ist damals drei oder vier Jahre alt und sitzt gerade mit ihrem Bruder auf einer Schaukel.
Claudia Peterson: My mother was a nurse. My father was from Chicago, so they just lived on this little small farm. Everything held their was out of the garden. We swam in the ponds, played in the big ditches, drank raw cow's milk. Our beef was from our own cattle we had raised. I lived an idyllic life. I had an older brother and sister and happy childhood out on the farm as a child.
Nur 300 Kilometer entfernt, testet die Regierung Atomwaffen
Claudia erinnert sich an eine glückliche Kindheit auf einem Bauernhof. Doch nur 300 Kilometer westlich, in Nevada, testet die Regierung ihre Atomwaffen. Unter der Erde, aber auch oberirdisch. Auch an dem Tag, als sie mit ihrem Bruder auf der Schaukel sitzt.
Claudia Peterson: It was just a huge ball red ball of flame come up over the horizon and I ran into the house to tell my mother there was a flying saucer. And when she came out it had dissipated up into a cloud and was going over.
Wenn so eine Bombe hochgeht, dann gibt es erstmal einen Feuerball. Der ist so heiß, dass im Umkreis von ein paar hundert Metern sogar Sand und Steine schmelzen. Die Druckwelle und die Hitze reißen Staub und Asche kilometerweit in die Höhe. Diese Explosionen sehen aus wie riesige Pilze, so groß, dass sie hunderte Kilometer entfernt zu sehen sind.
Claudia Peterson: We just went into house it was no big deal. My brother doesn’t even remember it and I think the only reason I remember it was because I thought it was a flying saucer.
Claudia hält den Atompilz als Kind erstmal für ein UFO. Für uns klingt das heute völlig absurd, aber für Claudias Eltern und viele andere Menschen in der Gegend gehören die Atompilze damals einfach zum Alltag. Zwischen 1951 und 1962 explodieren 100 nukleare Sprengsätze oberirdisch in Nevada. Dass das gefährlich ist, darüber sprechen weder Claudias Eltern noch die Lehrer.
Claudia Peterson: Our education was about what was going to happen to us that the Russians were going to do to us. Not what our own country was doing to us at the time. I grew up my whole life fearing what the Russians were going to do to us.
Claudia wächst in den 60er Jahren auf, mitten im Kalten Krieg. Westen gegen Osten, Kapitalismus gegen Kommunismus. Die USA gegen Russland, oder genauer gesagt: die Sowjetunion. In der Schule lernt Claudia, dass die Russen die größte Gefahr für ihr Land und ihr Leben sind. Gleichzeitig passieren in ihrer Welt merkwürdige Dinge. Zum Beispiel mit den Schafen auf dem Nachbarhof.
"Our education was about what was going to happen to us that the Russians were going to do to us. Not what our own country was doing to us at the time. I grew up my whole life fearing what the Russians were going to do to us."
Die tickende Zeitbombe im Körper
Claudia Peterson: As a child I just thought it was normal to see piles of dead deformed lambs at lambing season, because our neighbors would go over and they'd give us the dog feed. That was wonderful but I remember seeing just piles of dead deformed lambs – two heads, I mean just grossly deformed lambs thinking that it was normal. It was just: well that must be what happens.
Stapelweise tote Schafe, manche haben zwei Köpfe. 1953, zwei Jahre bevor Claudia geboren wird, war es besonders schlimm. Jedes vierte Schaf in der Region starb innerhalb weniger Monate. Zuvor hatte ein besonders starker Test stattgefunden. Er bekam später den Spitznamen "Dirty Harry", weil so viel radioaktive Asche in die Luft katapultiert worden war, aber das wussten die Menschen in St. George damals noch nicht. Die Atomenergiebehörde hat die Schuld einfach auf den harten Winter geschoben. 1955, in Claudias Geburtsjahr, veröffentlicht die Behörde einen Propagandafilm.
Auszug Propagandafilm: If you were driving from Los Angeles to Salt Lake City on U.S. Highway 91 you'd pass through St. George Utah population four thousand five hundred sixty two. Just a short way from the state line of Nevada. It's pre dawn five in the morning. Everything is closed down. Only our night owls saw it, that great flash in the western sky. An atomic bomb at the Nevada test site 140 miles to the west. But it's old stuff to St. George: routine. They've seen a lot of them ever since 1951. Nothing to get excited about anymore.
Nichts worüber man sich Sorgen machen sollte. Die Wahrheit ist, dass der radioaktive Staub gefährlich ist. Radioaktives Iod und Cäsium können durch die Atemluft in den Körper gelangen, oder über die Milch der Tiere. Sie beschädigen die Gene in den Körperzellen und können Krebs verursachen, auch Jahre später noch, das ist wie eine tickende Zeitbombe im eigenen Körper. Als Claudia in der sechsten Klasse ist, erkrankt ein Mitschüler an Leukämie.
Claudia Peterson: Darwin Hoyt. A cute kid and I remember him passing away from leukemia. Shortly after that, one of our other classmates got bone cancer and died about a year later from that.
"They would come to school, somebody in black suits and dressed all up. They looked like the Belushi brothers when they'd come to school and with Geiger counters and tell us they were checking our thyroids and when they’d light up they'd say: well you had dental x rays."
Zwei Schüler sterben also innerhalb kurzer Zeit an Krebs. Eines Tages kommen Männer in die Schule und halten Messgeräte an Claudias Hals. An die Schilddrüse.
Claudia Peterson: They would come to school, somebody in black suits and dressed all up. They looked like the Belushi brothers when they'd come to school and with Geiger counters and tell us they were checking our thyroids and when they’d light up they'd say: well you had dental x rays.
Als der Geigerzähler ausschlägt, sagen die Männer: Das liege daran, dass sie schon mal beim Zahnarzt geröntgt worden sei. Eine plumpe Ausrede. Röntgenstrahlung und Radioaktivität haben nichts miteinander zu tun. Das weiß Claudia zwar nicht. Sie weiß aber, dass von ihren Zähnen noch nie ein Röntgenbild gemacht wurde. Und sie bekommt damals erste Zweifel, ob das alles so stimmt, was ihr da erzählt wird.
Claudia Peterson: It started sparking the thing but it was still like: maybe, maybe not. Because a lot of people were just saying: oh they would never do anything to hurt us. We've heard all those things they kept saying no harm, no harm it's tested, there's no harm.
Manchmal kommen im Radio auch Warnungen, wenn grad ein Atomtest stattgefunden hat und der Wind den Staub in Richtung St. George bläst.
Auszug Propagandafilm: Ladies and gentlemen we interrupt this program to bring you important news. It is suggested that everyone remain indoors for one hour or until further notice. There is no danger this is simply routine atomic energy safety commission procedure to prevent unnecessary exposure to radiation.
Dann sollen die Leute in St. George eine Stunde lang im Haus bleiben. Und den Staub von ihren Autos abwaschen. Aber niemand empfiehlt ihnen, zu duschen oder die Kleidung zu waschen. Keine Gefahr, heißt es immer.
Auszug Propagandafilm: Testing of atomic weapons goes on for a vital reason: our national defense. We have no choice. To fall behind any other nation in atomic progress is a national risk. That's why we have the Nevada test site. It's sort of a backyard workshop.
Aus den Augen aus dem Sinn – nach den Tests geht Claudias Leben erst mal weiter
Wenn man sich vorstellt, dass die Wahrheit ein Puzzle ist, mit 1000 Teilen, dann hat Claudia als Jugendliche vielleicht 10 Teile in der Hand. Aber je älter sie wird, desto mehr werden es.
1963 entscheiden sich die damals verfeindeten Supermächte USA und die Sowjetunion, Atomwaffen ab sofort nur noch unterirdisch zu testen. Der internationale Druck war zu groß geworden, und man hatte wohl auch genug Erkenntnisse über Atomexplosionen in der Atmosphäre gesammelt. Seitdem sehen die Menschen in St. George keine Explosionen und Blitze mehr, es gibt keine radioaktiven Staubwolken mehr.
Von den unterirdischen Tests geht erstmal keine Gefahr aus und über die Langzeitfolgen der früheren oberirdischen Atomtests will sich zu der Zeit niemand den Kopf zerbrechen.
Claudia Peterson: I think for a long time people don't believe it or don't think it's going to happen. Because if you do, then it may happen to you or you don't have to deal with it because it's not you. You know, it's really sad to see a neighbor be sick, but you know, you're lucky enough. It's not happening to you.
Claudia Peterson und ihre Familie sind wie die Mehrheit der Menschen in Utah Mormonen. Das ist eine sehr konservative und sehr patriotische Glaubensgemeinschaft. Bei den Mormonen gibt es keinen Sex vor der Ehe und die Familie steht an oberster Stelle.
Während in den 60er und 70er Jahren in den USA die Friedensbewegung groß wird und gegen den Vietnamkrieg protestiert, während die Hippies 1969 in Woodstock Peace and Love feiern, wollen die Menschen in St. George einfach ein ruhiges, gottesfürchtiges Leben leben. Und ne ganze Zeit geht das auch gut. Auch in Claudias Leben.
Auf dem College lernt sie ihren Mann Phil kennen, heiratet mit 20, zieht nach St. George, arbeitet in einem Supermarkt und bekommt drei Kinder, und sie engagiert sich bei den Mormonen – ein ganz normales Leben zwischen Familie, Kirche und Arbeit.
Und dann holt sie ein paar Jahre später die Vergangenheit ein. 1981 diagnostizieren die Ärzte bei ihrem Vater einen Hirntumor.
Immer mehr Menschen in St. George sterben an Krebs
Claudia Peterson: When he was diagnosed, his doctor said he was pretty sure because of a type of the tumor, it was radiation related from fall out.
Der Arzt sagt, dass der Krebs wahrscheinlich mit der radioaktiven Strahlung zu tun hat – eine Spätfolge des Fallouts.
"When he was diagnosed, his doctor said he was pretty sure because of a type of the tumor, it was radiation related from fall out."
Claudia Peterson: He did really well for about six months and then passed away and I really honestly believe that was probably at that time I thought that was the hardest thing I was ever going to go through because I had three small children that weren't going to know their grandfather.
Hinzu kommt: Ihr Vater ist damals nicht der Einzige in St. George, der an Krebs stirbt. Es kursieren zunehmend Gerüchte, dass die Art und Häufigkeit der Tumore womöglich mit den Tests zu tun haben könnten.
Claudia Peterson: There was a suspicion. And there are people talking about it, but nobody really would speak out publicly on it. When I started to ask questions and do things it was like: You can't voice that out loud. Well I was afraid to.
Ja, auch Claudia hat Angst. Angst vor der Wahrheit, Angst vor den Folgen des Fallouts, Angst, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden. Auch sie versucht zu verdrängen – bis es irgendwann nicht mehr geht.
Tochter Bethany erkrankt an Krebs
1984 ist Claudias jüngste Tochter, Bethany, drei Jahre alt. Sie wacht jede Nacht auf und weint. Ihre Beine und ihr Bauch tun weh, sagt sie. Die Ärzte in St George sagen, es ist ein Virus, und schicken sie wieder nach Hause. Aber es wird jede Nacht schlimmer, bis Claudia eines Nachts ihre Tochter ins Auto setzt und sechs Stunden nach Salt Lake City fährt, ins Kinderkrankenhaus.
Claudia Peterson: Our youngest child was diagnosed with stage 4 neuroblastoma.
Ein Neuroblastom ist eine Krebserkrankung des Nervensystems.
We had to drive to Salt Lake for Chemo six hours away every week. Get chemo, come home, go back. We did that for two years, she had a nine hour surgery. We did seven weeks of driving back and forth for radiation treatments.
"After two years she was in remission making medical history because she was this oldest at that time Stage 4 neuroblastoma survivor and we came home, she was going to get to go to school."
In Salt Lake City entfernen die Ärzte Bethanys Tumore, sie bekommt eine Chemo und Strahlentherapie. Claudia bangt um das Leben ihrer Tochter, aber es passiert ein kleines Wunder: Die Therapie schlägt an, und Bethany erholt sich.
Claudia Peterson: After two years she was in remission making medical history because she was this oldest at that time Stage 4 neuroblastoma survivor and we came home, she was going to get to go to school. She was doing so much better.
In St. George sind alle Menschen "Downwinder"
Bethany ist 1981 zur Welt gekommen, im gleichen Jahr also, in dem Claudias Vater an Krebs gestorben ist. Der letzte oberirdische Atomtests ist da fast 20 Jahre her. Claudia sucht nach Gründen für so eine schwere Krebserkrankung bei so einem kleinen Kind. Sie fängt an zu recherchieren. Ein wichtiges Puzzleteil auf dem Weg zur Wahrheit ist die Geschichte ihres Schwiegervaters.
Der hatte in den 50er, 60er Jahren einem Bergwerk gearbeitet und dort Uran geschürft. Uran ist ein radioaktives Metall, das auch in Atombomben verbaut wird. Claudias Schwiegervater hat sehr früh Lungenkrebs bekommen und ist gestorben, damals war Claudias Ehemann noch ein Kind, gerade mal zwölf Jahre alt. Und Claudias Schwiegervater war nicht der einzige Bergmann, der damals an Lungenkrebs gestorben ist, nachdem er Uran geschürft hatte.
Die Witwen der Bergleute verklagen Anfang der 80er Jahre die Regierung und den Betreiber der Uranmine. Sie wollen eine Entschädigung, weil sie vermuten, dass die Regierung die Gefahren kannte.
Claudia liest Gerichtsdokumente in denen es um den die Rolle der Atomenergiebehörde dabei geht. Und sie bekommt den Eindruck: Die Regierung hat diese Bergleute geopfert, weil sie das Uran für die Atombombe brauchte.
"I was stunned when I read this it was like they just totally disregarded these men and used them. So that sparked some … I started to be more interested. I read more things. Got into it more."
Claudia Peterson: It was just total ... I was stunned when I read this it was like they just totally disregarded these men and used them. So that sparked some … I started to be more interested. I read more things. Got into it more.
Claudia recherchiert immer weiter und erfährt von Dokumenten der Atomenergiebehörde, die inzwischen freigegeben wurden. Darin steht, dass die Behörde wusste, dass die vielen Schafe, die in der Umgebung von St George 1953 verendet sind, durch radioaktives Jod verstrahlt worden waren. Sie hatten eine Dosis abbekommen, die bis zum 1000-fachen über dem Grenzwert für Menschen lag. Als Claudia das alles liest, wird ihr klar, dass die Regierung sie angelogen hat.
Im Jahr 1986 lagern in den Raketensilos der Atommächte insgesamt knapp 70.000 atomare Sprengköpfe, die meisten in den USA und in der Sowjetunion. Rekord. Ebenfalls in diesem Jahr explodiert das Atomkraftwerk von Tschernobyl. Dabei gelangen tonnenweise radioaktive Stoffe in die Luft. Mehr als 300.000 Menschen, die in der Nähe des Reaktors leben, müssen umgesiedelt werden, tausende erkranken in den darauffolgenden Jahren an Krebs.
Auf der ganzen Welt protestieren Menschen nun gegen Atomkraft und Atomwaffen, und davon erfährt natürlich auch Claudia in St George. Sie hat damals Kontakt zu Atomwaffengegnern und bekommt 1987 eine Einladung nach New York.
Claudia Peterson: I got invited to go to the first radiation victims conference in New York and I went because it was a free trip to New York. Honestly, that's why I went. I got there and it was people with the same stories. Hanford, Savannah River, I mean, Tschernobyl, Japan.
Zu der Konferenz kommen Menschen aus aller Welt: Überlebende der Atombombenangriffe aus Hiroshima und Nagasaki. Menschen aus der Gegend um Tschernobyl. Anwohner aus Hanford und vom Savannah River in den USA, wo die Atombomben damals gebaut wurden. Dort waren radioaktive Stoffe in die Umwelt gelangt.
"And I was just dumbfounded that I didn't know the history. I didn't know that this was going on everywhere."
Claudia Peterson: And I was just dumbfounded that I didn't know the history. I didn't know that this was going on everywhere. I knew it was in our area, but I had no idea that all these other things were happening, and the health effects.
Claudia merkt jetzt, dass sie nicht viel mibekommen hat von der Welt da draußen. Und dass sie nicht alleine ist. Es gibt Menschen auf der ganzen Welt, die auch radioaktive Strahlung abbekommen haben und die Folgen auch Jahre danach noch spüren. Claudia bekommt in New York sowas wie eine neue Identität als Downwinder. So nennen sich diejenigen, die in der Windfahne, also downwind, von Atomwaffentests gelebt haben.
Claudia verliert zwei geliebte Menschen: ihre Tochter und ihre Schwester
Ja, und die Folgen, die spürt Claudia noch einmal mit brutaler Wucht, als sie wieder zurück in St. George ist. Ihre Tochter Bethany wird wieder krank. Und gleichzeitig muss Claudias Schwester Cathy ins Krankenhaus.
Claudia Peterson: I was home couple weeks and my little girl got sick again. And I called her doctors and they said: she's fine, we just tested her. But I said: no she's sick. It's different, but she's sick. That same day my sister ended up in the hospital here. Bethany and I went to the hospital to see her and she said 'Go to Salt Lake I'll be fine. See what's wrong with Bethany.' And she told me how she was going to decorate her house and that what the kids were going to be for Halloween.
"She just knew she was going to raise her children. I knew she wasn't going to live. I've said it doesn't always mean you're going to raise them in this life."
Claudias Schwester ist auch Mormonin und sehr religiös. Sie hat Hautkrebs, der sich bereits im Körper ausgebreitet hat. Aber sie musste die Chemotherapie verzögern, weil sie mit ihrem sechsten Kind schwanger war. Und als sie das Kind zur Welt gebracht hat, ist der Krebs schon sehr weit fortgeschritten. Jetzt, kurz vor Halloween 1987 liegt sie also im Krankenhaus auf der Krebsstation.
She was just ... knew she was going to be OK. She had had blessings, she was Mormon. She just knew she was going to raise her children. I knew she wasn't going to live. I've said it doesn't always mean you're going to raise them in this life.
Und während Cathy in St George im Krankenhaus liegt, fährt Claudia mit ihrer Tochter Bethany nach Salt Lake City ins Kinderkrankenhaus. Dort stellt sich raus: Bethany hat zwar den Nervenkrebs überlebt, aber jetzt greift der Krebs ihr Blut an: Sie hat Leukämie.
Claudia Peterson: I drove home from Salt Lake on valium. I was crazy. I cried all the way with little Bethany in the back seat. I don't even know how I got home. But I got home at midnight, went to bed and at 2 o'clock in the morning the hospital called and said: Your sister's taking a turn.
Mitten in der Nacht bekommt Claudia einen Anruf aus dem Krankenhaus. Die Ärzte sagen ihr, dass ihre Schwester hat das Bewusstsein verloren hat und künstlich beatmet wird.
Claudia Peterson: I went to the hospital and she was in a coma and on a vent. And I just crawled upon the bed with her. She had six kids. My sister had six little kids, a new baby and … Then her husband got there later and … We made the decision to take her off life support because she was clear full of cancer. And she had fought so hard. There was no gasping, no anything. She was gone.
Claudias Tochter, die sechsjährige Bethany, ist bei der Beerdigung dabei. Sie hat am selben Tag Geburtstag wie ihre verstorbene Tante.
Claudia Peterson: We buried her with Bethany very intent watching everything, standing there watching the grave, and in the meantime Bethany is going: 'Will you be sad if I die?' And I say 'Yeah, you’d be sad if I died.' You know. We're going to go to Salt Lake. You are gonna be OK.
Nach der Beerdigung muss Claudia mit Bethany so schnell wie möglich zurück ins Krankenhaus nach Salt Lake City, um mit der Chemotherapie zu beginnen.
Claudia Peterson: When we left, she is going: I'm never going to see my dog - she had a dog, Cosmo – again. And I said yeah we're going to Salt Lake and we're going to come home and you're going to be OK. We were up there a month of just pure hell in a hospital room that was isolated, because her counts were so bad. And she died a month later.
"We were up there a month of just pure hell in a hospital room that was isolated, because her counts were so bad. And she died a month later."
Claudia Peterson: I was crazy at that point, I was just crazy. I was just literally so brokenhearted that I couldn't even catch my breath. It was like. You wish for death to stop that heartache.
Als das Jahr 1987 zu Ende geht, hat Claudia Peterson innerhalb von wenigen Wochen zwei geliebte Menschen verloren. Ihre Schwester Cathy. Und ihre sechsjährige Tochter Bethany.
Claudia Peterson: And I came home and I had two other kids and my sister's kids were suffering and my mother was suffering. I was just fractioned. There was three years there I can't even pinpoint an event in my life. I don't know what I did. I just put one foot in front of the other. My other kids suffered for it, but I I wasn't in any shape and my husband was … Oh it was awful.
Claudia braucht drei Jahren, um den Verlust ihrer Tochter und ihrer Schwester zu verarbeiten. Sie ist in dieser Zeit wie gelähmt. Daran ändert auch ein Gesetz nichts, dass die Regierung in Washington 1990 verabschiedet. Es ist ein Entschädigungsgesetz für die Menschen, die in der Windfahne der Atomtests gelebt haben.
In diesem Gesetz gibt die Politik zu, dass die US-Regierung Menschen wie Claudia und ihre Familie wissentlich der radioaktiven Strahlung ausgesetzt hat.
Der Wendepunkt in Claudias Leben: ihre Reise nach Kasachstan
An Claudia rauscht das aber damals vorbei, ihr geht es erst besser, als sie eine Einladung bekommt, von den Ärzten für die Verhinderung des Atomkriegs. Sie soll mitkommen zu einer Konferenz in die Sowjetunion, 1990. Die Berliner Mauer ist gerade gefallen, der Kalte Krieg ist vorbei.
Die Konferenz findet in Kasachstan statt. Dort gibt es Menschen, die das gleiche erlebt haben wie die Menschen von St George: Downwinder. Im Westen der Stadt Semipalatinsk haben die Sowjets ihre Atomwaffen getestet.
Claudia Peterson: They had nothing. I mean they were standing in line for bread and they dressed up to come and meet us in Semipalatinsk and we were out and we just made a rock protest, just put rocks, it was dusty dirty rocky, sat on a hill with some little kids. It was incredible. And then we ate dinner in a yurt. They were beautiful kind intelligent people. And I'm going: these are just mothers just loving their kids. Their hopes and dreams of their kids are the same as ours. And I've spent my whole life fearing these people.
Claudia wurde in ihrer gesamten Schulzeit eingetrichtert, wie gefährlich die Russen sind. Sie hat geübt, wie sie bei einem Atomangriff in den Keller der Schule gehen und sich zwei Wochen lang von Keksen und Konserven ernähren sollen.
Und dann fällt dreißig Jahre später die Mauer, und plötzlich darf sie in das Land des vermeintlichen Todfeinds einreisen und dort sogar an einer Protestveranstaltung teilnehmen. Diese Reise ist für Claudia Peterson ein Wendepunkt. Zu ihrer Trauer, zu ihren Schmerzen kommt jetzt : Wut.
That's when it started, the anger started. I was mad, I was angry at what had happened to them had happened to us and I swore then: I was never going to shut up about it.
Claudia Peterson: That's when it started, the anger started. I was mad, I was angry at what had happened to them had happened to us and I swore then: I was never going to shut up about it. I didn't care if I got kicked out of the church. I didn't care if people thought I was crazy lunatic, because I was crazy lunatic at that point. I was never going to shut up about it.
Claudia will jetzt ihren Mund aufmachen. Nach und nach kapieren die Menschen in Claudias Umgebung, dass die US-Regierung sie und ihre Familien mit den Atomtests regelrecht verstrahlt hat. Und seit 1990, seit dem Entschädigungsgesetz, ist das ja sogar amtlich. Doch das Gesetz wird auch als "Utah-Lotterie" verspottet, weil die Downwinder einiges Glück haben müssen, um die Voraussetzungen für eine Entschädigung zu erfüllen: So stehen zum Beispiel nur ein Dutzend Krebsarten auf der Liste.
Claudia Peterson: It was more like a slap in the face. Fifty thousand dollars for the people who could … we didn't get it. My sister didn't get it because she had melanoma. And that's not on the bill. And fifty thousand dollars is 20 percent of a half year chemo. You know it's kind of a slap in the face.
Claudia kämpft für die Rechte der Downwinder
Hautkrebs ist nicht auf der Liste, weshalb die Familie von Claudias Schwester keine Entschädigung bekommt.
Claudia geht das Gesetz nicht weit genug. Sie arbeitet inzwischen als Krankenschwester und weiß, dass es an Aufklärung und Krebsvorsorge mangelt. Dafür kämpft sie. Für ein vom Staat bezahltes Krebs-Screening und Aufklärungsprogramm.
Claudia Peterson: I do call my congressmen and senators. I lobbied really hard for the RESEP office. That was my bill that went through for education and screening. I felt like education and screening and health care in the community was the most important thing we could do.
Der Republikaner Orrin Hatch vertritt Utah damals im US-Senat. Claudia Peterson hat ihn weichgekocht.
Claudia Peterson: And Orrin Hatch came down finally and just said to me OK tell me your wish list. Because I'd made so much noise it was like: what's your wish list. And he did it. I got it. It was 90 million dollar.
90 Millionen Dollar für Aufklärung und Krebs-Screening. Diese Ergänzung zum Entschädigungsgesetz wird im Jahr 2000 beschlossen. Auch die Liste der Krebsarten wird erweitert. In St George gibt es nun eine Downwinder-Klinik, wo zwei Mitarbeiterinnen den Menschen dabei helfen, die Anträge auszufüllen.
Die Spätfolgen des Fallouts sind Alltag bei Familie Peterson
Für die Politiker ist die Geschichte der Downwinder damit abgeschlossen. Für Claudia Peterson geht sie weiter.
Claudia Peterson: It never ends. My sisters kids, my oldest nephew, her oldest son, now has died of colon cancer. A couple of months ago her second daughter passed away from ovarian and colon cancer. Her third daughter has been in chemotherapy and her daughters had her colon removed. And her fourth child has had her colon removed and has two little twin daughters and two older daughters. Two of them have the gene and the 10 year old last Christmas had her colon removed. So out of her six kids five of them are ill.
In der Familie von Claudias Schwester Cathy ist Darmkrebs besonders verbreitet. Zwei ihrer sechs Kinder sind an Krebs gestorben. Drei haben eine Chemo hinter sich oder ein Stück ihres Darms entfernen lassen. Und nicht nur Cathys erwachsene Söhne und Töchter haben Krebs, sondern auch ihre Enkelkinder. Ein vererbbarer Gendefekt verursacht den Darmkrebs, das stellt die Familie Peterson durch einen Gentest fest. Und das kaputte Gen ist als erstes bei Cathy aufgetreten.
Claudia Peterson: Now I've had the testing the genetic testing. I don't carry the gene. My mother didn't have the gene and it comes from the mother. Her husband's been tested. He doesn't have it so it came from my sister.
Ein vererbbarer Gendefekt verursacht den Darmkrebs – das stellt die Familie Peterson durch einen Gentest fest. Und das kaputte gen ist als erstes bei Cathy aufgetreten. Die Wissenschaft kann zwar nicht beweisen, dass das eine Spätfolge des Fallouts ist. Aber da ist immer und immer wieder dieser Verdacht. Auch bei Claudias eigenen Enkeln und Urenkeln treten Missbildungen auf.
Claudia Peterson: We lost a grandchild a year ago. He was born with the … I don’t know what its called now, but the long bones weren’t there. He reminded me of the jellyfish Babys on the Marshall islands.
Einem anderen Enkelkind von Claudia fehlten bei der Geburt Knochen. Claudia muss an die sogenannten "Quallenbabys" denken. Das sind Totgeburten auf den Marshallinseln im Südpazifik. Auch dort haben die Amerikaner Atombomben getestet.
"Genetically we are … it's genetically damaged, I think, from what we experienced as children and it is snowballing. And I don't know, if I can take much more of it. I would rather be the one sick than watching a child die again."
Claudia Peterson: He lived an hour. He was a beautiful baby but he … His body was deformed. I … We lived a good life. I mean, my father wasn’t from here, so it's not … Genetically we are … it's genetically damaged, I think, from what we experienced as children and it is snowballing. And I don't know, if I can take much more of it. I would rather be the one sick than watching a child die again.
In den letzten 30 Jahren hat Claudia ihren Vater, ihre Tochter, ihre Schwester, eine Nichte, einen Neffen und einen Enkel an den Krebs verloren. Sie kennt heute die Wahrheit. Sie weiß, dass der Fallout gefährlich war. Sie weiß, dass die Regierung die Bevölkerung angelogen hat. Die Wahrheit ist aber auch, dass niemand in der Welt die Menschen, die sie verloren hat, wieder lebendig machen kann.
Claudia Peterson: I just ... I just want to be OK. I want my kids to be OK. I want my grandkids to be OK.
Wir erzählen Eure Geschichten
Habt ihr etwas erlebt, was unbedingt erzählt werden sollte? Dann schreibt uns! Storys für die Einhundert sollten eine spannende Protagonistin oder einen spannenden Protagonisten, Wendepunkte sowie ein unvorhergesehenes Ende haben. Im besten Fall lernen wir dadurch etwas über uns und die Welt, in der wir leben.
Wir freuen uns über eure Mails an einhundert@deutschlandfunknova.de