In Chemnitz brannte nach dem Messerangriff auf Daniel H. die Luft. In den vergangenen zwölf Monaten sind die Chemnitzer ein Stück zusammengewachsen, spürbare Konflikte gebe es aber noch weiterhin, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Nadine Lindner.
Die Stadt ist gespalten: Das zeigen die Reaktionen der Chemnitzer auf das Urteil hinsichtlich des Messerangriffs. Vergangenen Donnerstag (22.08.19) sprach das Gericht den Syrer Alaa S. schuldig und verurteilte ihn zu einer Haftstrafe von 9,5 Jahren. Rechtskräftig ist der Schuldspruch derzeit allerdings noch nicht.
Die Verteidigung hat Widerspruch eingelegt: Neben vielen Unklarheiten, seien die Zeugenaussagen widersprüchlich. Daher kritisieren vor allem linke Demonstrantengruppen das Urteil: Es würden handfeste Beweise fehlen, die belegen, dass der Syrer der tatsächliche Täter sei. Zudem ist ein verdächtiger Iraker immer noch auf der Flucht.
"Letztes Jahr hat in Chemnitz die Luft gebrannt."
Rechte Demonstranten werten das Urteil hingegen ab: Für sie sei es nicht hart genug, berichtet Nadine Lindner. Daher kritisieren sie den Einspruch der Verteidigung. Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig sagte im Vorfeld des Prozesses: "Ein Freispruch in diesem Verfahren wäre schlecht für Chemnitz". Trotzdem: Auch nach der Haftstrafe herrscht weiterhin Unzufriedenheit in der Stadt.
Trotz Zusammenwachsen ist die Unzufriedenheit spürbar
Gerade viele Ältere sind skeptisch gegenüber Migranten und lehnen sie ab. Ihnen geben die älteren Menschen auch die Schuld an der anhaltenden Unruhe, nicht den rechtspopulistischen Gruppen, erzählt Nadine Lindner. Das sei spürbar und ähnelt einer Gehirnwäsche, meint ein Syrer, der seit 23 Jahren in Chemnitz lebt. Parteien wie die AfD oder NPD würden versuchen, die Stimmen der Menschen durch Angstmache und Rassismus zu gewinnen.
"Die AfD oder die NPD, versuchen mit Angst und Rassismus die Stimmen der Leute zu gewinnen, das merkt man hier."
Die rechte Szene zeigt sich weiterhin deutlich in Chemnitz: zuletzt bei einer Demonstration von Pro Chemnitz am Sonntag (25.08.19). Zwar haben sich laut Polizei nur 400 Demonstrierende, statt der angemeldeten tausend, in der Stadt versammelt und auch die Zivilgesellschaft sei im letzten Jahr gewachsen – aber es gebe noch viel zu tun, meint Nadine Lindner. Den Anhängern von Pro Chemnitz standen etwa 300 Gegendemonstranten gegenüber.