In vielen Lebenslagen können uns KI-Tools helfen – zum Beispiel bei der Recherche oder bei Formulierungen. Nutzen wir sie allerdings zu oft, kann das dazu führen, dass wir Informationen nicht mehr so kritisch bewerten. Das zeigen die Ergebnisse einer neuen Studie.

Eine Studie der Swiss Business School zeigt, dass die Fähigkeit zum kritischen Denken abnimmt, je öfter wir KI-basierte Tools wie ChatGPT bei Problemlösungen nutzen.

Kritisches Denken wird in der Studie folgendermaßen definiert: Die Fähigkeit, Informationen rational zu analysieren und sie zu bewerten, logische Zusammenhänge herzustellen, um dann begründete Entscheidungen zu treffen – und am Ende auch was Neues zu lernen.

Die Forschenden stellen fest, dass uns die Nutzung der KI auf gewisse Weise faul macht. Heißt, wir bemühen unser eigenes Gehirn weniger, weil wir uns auf die Ergebnisse, die wir von KI-Tools erhalten, verlassen, statt sie zu hinterfragen.

"Das ist ja auch das Verlockende an ChatGPT & Co. Die sollen uns ja was abnehmen: Recherche, Formulierungen – und damit automatisch auch das Denken."
Matthias Wurms, Deutschlandfunk Nova

666 Menschen aus Großbritannien haben an der Studie teilgenommen. Die Teilnehmenden waren unterschiedlichen Alters und kamen aus verschiedenen sozialen Schichten. Alle mussten einen Fragebogen ausfüllen; mit 50 Teilnehmer*innen wurden noch Interviews geführt.

Ein Ergebnis: Es zeigte sich eine "signifikante negative Korrelation“ zwischen der Nutzung von KI-Tools und den Werten für kritisches Denken. Ganz besonders deutlich zeichnete sich dieser Zusammenhang bei jüngeren Studienteilnehmer*innen ab.

Probleme lösen, fällt schwer

Dieser Effekt bezog sich nicht nur auf das kritische Denken: Probanden fiel es zudem schwerer, eigenständig Schwierigkeiten zu lösen. Das hat mit dem sogenannten kognitiven Offloading zu tun. Wir bemühen nicht mehr unser eigenes Gehirn und lassen stattdessen die KI für uns arbeiten.

Die Nutzung von Suchmaschinen kann eine ähnliche Wirkung haben, das zeigte bereits eine frühere Studie.

Problematik besteht, obwohl sie Probanden bewusst ist

Vielen der Studienteilnehmenden war die Problematik bewusst, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz negative Effekte auf unser Denken haben kann. Probanden äußerten, dass sie weniger kritisch mit Informationen umgingen, weil sie sich an die KI gewöhnt hätten. Auch war vielen klar, dass Algorithmen Sachverhalte verzerren können und dass Empfehlungen von einer KI oft nicht transparent sind.

Hohes Bildungsniveau hilft

Die Studie zeigte auch, dass ein hohes Bildungsniveau dabei helfen kann, das eigene kritische Denken nicht zu verlernen.

Der Studienautor Michael Gerlich empfiehlt Schulen und Uni daher beispielsweise, dass sie gezielt kritisches Denken fördern und auch die Funktionsweise von KI erklären, damit Studierende verstehen, welchen Anteil unserer Denkprozesse wir einer KI überlassen. Weiterhin sagt der Studienautor, dass die Entwickler KI-Systeme so entwickeln könnten, dass sie ein gewisses Mitdenken erfordern.

Matthias Wurms aus den Deutschlandfunk-Wissensnachrichten stellt sich diesen Schritt jedoch schwierig vor, weil KI-Tools ja gerade dafür entwickelt werden, dass sie uns möglichst viel Denkleistung ersparen.

Shownotes
ChatGPT und Co.
Durch KI-Nutzung verlernen wir kritisches Denken
vom 14. Januar 2025
Moderation: 
Lena Mempel
Gesprächspartner: 
Matthias Wurms, Deutschlandfunk Nova