Ciani-Sophia Hoeder stammt aus einer Arbeiterfamilie. Ihr Weg zum Fachabitur und später zum Studium war mit enormem Aufwand verbunden. Francis Seeck forscht und lehrt unter anderem zu Klassismuskritik und erklärt, wie sich unsere soziale Herkunft auf unser Leben auswirkt.
Deutschland ist ein wohlhabendes Land. Aber natürlich geht es nicht allen Menschen, die hier leben, gleich gut. Mehr als 14 Millionen Menschen in Deutschland lebten 2022 in Armut – ein Fünftel davon sind Kinder. Das zeigt der neue Paritätische Armutsbericht. Wer aus einer nicht akademischen Familie kommt, der hat meist schlechtere Bildungschancen. Es ist schwieriger, auf ein Gymnasium oder zum Studieren zu gehen.
Ciani-Sophia Hoeder hat zu diesem Thema das Buch "Vom Tellerwäscher zum Tellerwäscher" geschrieben. Sie stammt selbst aus einer Arbeiterfamilie, hat aber studiert und arbeitet mittlerweile als Journalistin. Sie erzählt, dass es im Studium für sie komisch war, plötzlich auf Leute aus einem akademischen Umfeld zu treffen.
"Ich hab mein Fachabitur gemacht, und im Fachabitur sind es auch meistens Working-Class-Kids, die dort sind. Und erst mit dem Besuch an der Uni habe ich gemerkt: 'Oh, das ist ganz schön anders.'"
Ciani-Sophia Hoeder spricht von unterschiedlichen Welten, die aufeinandertreffen. Sie meint damit aber weniger ihre Wurzeln, sondern vielmehr die sozialen Schichten. "Meine Mutter ist weiß, mein Vater ist schwarz. Viele denken, dass ich auf dieser Basis so eine Art Identitätskrise habe. Aber ich finde es viel extremer in Bezug auf Klasse." Aus dieser Motivation heraus hat sie ihr Buch über soziale Herkunft und Klassen geschrieben.
Klassenzugehörigkeit an der Uni
Sie selbst beschreibt ihren Start an der Uni als sehr klassengeprägt: "Vermutlich habe ich an der Uni aufgrund meiner Klassenzugehörigkeit viele Leute um mich herum gehabt, die ähnlich sind." Sie persönlich hat in der Studienzeit beispielsweise gerne Reality-TV geschaut, und das kam bei anderen wiederum nicht gut an.
"Damals war das schon so: 'Oh, die dumme Working Class sitzt vorm Fernseher und schaut sich irgendwelchen Mist an.'"
Die Autorin sagt, je länger sie in diesem Universitätskonstrukt war, desto mehr hat es sich für sie verändert. Sie konnte zunehmend Verbindung zu Menschen aufnehmen, mit denen es im ersten Semester schwieriger war. Sie sagt aber auch, dass sie sich mit der Zeit an ihr Umfeld angepasst hat: "Ich hatte das Gefühl, ich muss genauso sein, wie diese Klasse, in der ich mich jetzt befinde".
"Nein, ich habe keine Zeit GNTM zu gucken. Ich muss jetzt philosophische Bücher lesen. Und irgendwann kam der Shift in meinem Kopf: 'Absoluter Blödsinn.'"
Ciani-Sophia Hoeder glaubt aber, dass sie sich nicht nur angepasst hat, um ihren Mitstudierenden zu gefallen, sondern auch, um das Studium gut durchzuziehen. Irgendwann habe sie sich aber wieder auf ihre eigene Identität besonnen. Anderen rät sie, sich nicht für ihre Herkunft zu schämen und sich schlecht zu fühlen, weil sie ärmer sind. Im Grunde sei es nur ein Geburtsvorteil, mehr zu haben und ein strukturelles Problem unserer Gesellschaft.
"Es gibt Menschen, die arbeiten sehr viel und sind arm. Es gibt Menschen, die arbeiten sehr viel und sind reich."
Bildungsabschlüsse hängen stark von Klassenherkunft ab
Professor*in und Autor*in Francis Seeck erklärt, dass es immer mehr reiche Menschen gibt, gleichzeitig steigt auch die Zahl der Menschen, die von Armut betroffen sind. Eine Entwicklung, die den Klassismus noch verstärke. Der sei eine Diskriminierungsform – ähnlich wie Sexismus und Rassismus.
Beim Klassismus gehe es speziell um die Diskriminierung aufgrund von Klassenherkunft. Es treffe zum Beispiel erwerbslose Menschen, Wohnungslose, Arbeiterkinder und von Armut betroffene Menschen, sagt Francis Seeck.
"Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, in der Klasse zu bleiben, in die man hinein geboren wurde."
Solche Menschen haben es deutlich schwerer, einen Bildungsabschluss zu erreichen. Dass sie irgendwann Teil der Mittel- oder Oberklasse werden, sei nicht unmöglich aber unwahrscheinlich, so Francis Seeck.
Für das Buch "Klassismus überwinden" hat Francis Seeck mit Menschen gesprochen, die Klassen gewechselt haben und erklärt darin, dass ein Klassenwechsel noch schwieriger ist, wenn Menschen aus der Arbeiterschicht kommen und zusätzlich noch Rassismus erleben.
Helfen, Klassismus zu überwinden
Um das Problem in den Griff zu kriegen, empfiehlt Francis Seeck beispielsweise Lehrer*innen, klassistische Vorurteile abzulegen und stärker auf die unterschiedlichen Schüler*innen zu schauen. Jede(r) könne sich auch im eigenen Umfeld umschauen und sich engagieren – etwa bei Initiativen für Erwerblose, Wohnungslose und Arbeiterkinder.
Meldet euch!
Ihr könnt das Team von Facts & Feelings über WhatsApp erreichen.
Uns interessiert: Was beschäftigt euch? Habt ihr ein Thema, über das wir unbedingt in der Sendung und im Podcast sprechen sollen?
Schickt uns eine Sprachnachricht oder schreibt uns per 0160-91360852 oder an factsundfeelings@deutschlandradio.de.
Wichtig: Wenn ihr diese Nummer speichert und uns eine Nachricht schickt, akzeptiert ihr unsere Regeln zum Datenschutz und bei WhatsApp die Datenschutzrichtlinien von WhatsApp.
- Ciani-Sophia über soziale Ungleichheit und Klassismus
- Francis Seeck erklärt, wie wir Klassismus überwinden