Überstunden, Deadlines, Dauerstress – viele Menschen machen immer weiter, doch der Zusammenbruch bleibt aus. Psychologe Timo Schiele bezeichnet dieses Phänomen deshalb als "Burn-on". Sassi kennt dieses Gefühl sehr gut: Sie arbeitet Vollzeit und macht zusätzlich einen Master.
Timo Schiele ist leitender Psychologe einer psychosomatischen Klinik. Zu ihm kommen viele Patient*innen, die glauben, an Burn-out zu leiden – doch die typischen Symptome haben sie nicht.
Denn während ein Burn-out von Energielosigkeit, Erschöpfung und Widerwillen gegen beispielsweise die berufliche Tätigkeit gekennzeichnet ist, sind diese Patient*innen durchaus noch in der Lage, viele Dinge zu erledigen.
"Der für das Burn-out typische Zusammenbruch passiert beim Burn-on nicht. Die Betroffene funktionieren durchaus weiter."
Sie funktionieren zwar, doch der Stress macht sich bemerkbar: Viele berichten davon, dass sie Dinge aufgegeben und vernachlässigt haben, die ihnen eigentlich wichtig sind oder von körperlichen Symptomen wie Schlafstörungen, Bluthochdruck und muskulären Verspannungen. Sie fühlen sich unwohl, ihre Situation ist eigentlich nicht mehr tragbar – aber sie machen immer weiter.
Die Angst vor negativen Folgen treibt oft weiter an
Timo Schiele und sein Kollege Ber te Wildt haben aufgrund dieser Beobachtungen den Begriff des "Burn-on" etabliert. Gemeint ist damit, dass Menschen im Dauerstress sind und dieser Zustand nie aufhört.
Angefacht wird diese Dauerschleife vor allem von Dingen, die mit Deadlines versehen sind oder bei denen wir negative Konsequenzen fürchten. Um diese Dinge erledigen zu können, opfern wir andere, deren negativen Folgen weniger konkret sind. Ganz oft etwa Hobbys, Freunde und Familie.
"Mit Burn-on meinen wir einen Zustand, der oft mit aufgesetzter Begeisterung einhergeht, obwohl die Person bereits den Eindruck hat, dass es so nicht mehr weitergeht."
So wie Burn-out keine von der Weltgesundheitsorganisation WHO eingetragene Diagnose ist, beschreibt auch das Burn-on keine eigene psychische Erkrankung. Timo Schiele bezeichnet diese Symptome eher als Risikozustand, die zu einer definierten psychischen Erkrankung führen können.
Ihm geht es vor allem darum, den Menschen eine Erklärung für ihr Leiden zu liefern. Denn Dauerstress kann sehr negative Folgen für das psychische und körperliche Wohlbefinden einer Person haben. Deswegen helfe eine Beschreibung dabei, sich und die eigene Situation zu reflektieren.
Dauerstress kennt Deutschlandfunk-Nova-Hörerin Sassi sehr gut. Die 27-Jährige arbeitet Vollzeit als Team-Managerin teilweise bis zu 13 Stunden am Tag. Zusätzlich macht sie einen Master. Sie brennt für das Thema, deswegen nimmt sie den Zustand in Kauf – und die körperlichen Symptome, die damit einhergehen.
"Der Stress löst bei mir Enge, Herzrasen und Schlafstörungen aus und das Gefühl, nicht richtig atmen zu können."
Sassis Partner hat ebenfalls einen zeitintensiven Job. Die beiden müssen ihre gemeinsame Zeit gut koordinieren. Ein festes Ritual ist dabei das tägliche Abendessen. Diese gemeinsame Stunde hat für das Paar Priorität, um trotz des Dauerstresses nicht die Verbindung zueinander zu verlieren.
Den Stress koordinieren
Damit nichts unter den Tisch fällt, muss Sassi alles in ihren Kalender eintragen – egal ob Arbeit, Wäsche aufhängen oder Oma anrufen. Das tut sie, um sich bewusst Pausen in den Tag einzubauen, in denen sie ihren Kopf auch einmal ausschalten kann. Außerdem versucht sie, auch in sehr stressigen Phasen, ihre Bedürfnisse im Blick zu behalten, Routinen zu entwickeln und Sport zu treiben.
Wie Sassi auf den Dauerstress klar kommt und ob "Burn-on" in Zukunft auch in der Medizin anerkannt wird, das hört ihr in der Ab 21.
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- Sassi über ihren Alltag und ihre Überforderung als "Stressjunkie"
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