Reservistinnen, Angestellte der Bundeswehr und Neubewerber haben seit 2022 – seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine – deutlich häufiger einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt.
In Friedenszeiten erscheint es sicherlich unwahrscheinlicher, dass man als Angestellte oder Angestellter der Bundeswehr zu Kriegseinsätzen einberufen wird. Die Vorstellung davon ist für viele von ihnen durch den Beginn des Krieges in der Ukraine wohl realistischer geworden.
Aktuell sind deutlich mehr Anträge auf Kriegsdienstverweigerung beim Verteidigungsministerium eingegangen. Im März 2022 lag die Zahl der Anträge bei rund 300. Das heißt, in diesem Monat gab es mehr Anträge als im ganzen Jahr davor, nämlich 210.
Auf den Blick erscheint es paradox, dass Soldatinnen und Soldaten den Kriegsdienst verweigern, da Bewerber*innen seit dem Ende der Wehrpflicht selbst entscheiden, ob sie für die Bundeswehr arbeiten wollen oder nicht.
"Von den rund 1000 Menschen, die einen Antrag gestellt haben, waren fast 600 Ungediente und noch mal rund 270 Reservisten."
Das die Zahl so stark angestiegen ist, hängt auch damit zusammen, dass neue Bewerber*innen sich anscheindend noch einmal umentschieden haben oder schon lange nicht mehr aktiv sind. Denn das Gros der Anträge stammt von Ungedienten (fast 600) und Reservist*innen (rund 270). Bei den Ungedienten handelt es sich um Bewerber*innen, die gemustert und für tauglich befunden wurden.
Diese müssen, nachdem sie sich beworben hatten, wohl ihre Meinung geändert haben, sagt Thomas Wiegold, Journalist für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Die Erklärung liegt für ihn nahe: Das sie als tauglich gelten, haben wohl fast 600 von ihnen einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt, um im Kriegsfall nicht eingezogen zu werden.
Für die Bewertung der Höhe der Anträge sei es entscheidend, darauf zu schauen, wie hoch die Zahl der Berufssoldat*innen ist, die diesen Antrag eingereicht haben, sagt Thomas Wiegold. Denn das trifft nur auf rund 220 aktive Soldat*innen zu. Für die Bundeswehr spielt das in der Größenordnung also keine große Rolle, sagt er.
Bundeswehr könnte einen Teil der Ausbildungskosten zurückverlangen
Unter denen, die einen Antrag gestellt haben, vermutet Thomas Wiegold auch Menschen, die – vielleicht schon vor längerer Zeit – bei der Bundeswehr eine Anstellung angenommen hatten, weil sie zu diesem Zeitpunkt als krisensichere Arbeitgeberin galt.
Wer damals eine Ausbildung zum Beispiel als Arzt oder Ärztin gemacht hat, muss damit rechnen, dass die Bundeswehr Ausbildungskosten zurückfordern könnte, sagt Thomas Wiegold. Das gilt für zivil begehrte Berufe, wie er sie nennt, und solche, die teuer in der Ausbildung sind.
"Wen jemand vor 10, 15 Jahren zur Bundeswehr gegangen ist und gesagt hat 'Krieg kommt ohnehin nicht', dann kann es sein, dass diese Person die Meinung geändert hat und jetzt als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden möchte."