27 Prozent der Erstwählenden haben der Linken ihre Stimme gegeben, ein Plus von 19 Prozentpunkten im Vergleich zur letzten Bundestagswahl. Danach folgt die AfD, sie konnte um 14 Prozentpunkte auf 21 Prozent zulegen. 2021 waren noch Grüne und FDP die Abräumer.
Der starke Zuwachs der Linken hat vor allem mit dem Verhalten der CDU im Bundestag zu tun, erklärt die Politikwissenschaftlerin Anna-Sophie Heinze, die an der Universität Trier zum Wahlverhalten junger Menschen forscht. Besonders nach dem CDU-Entschließungsantrag zur Migrationspolitik mit der Inkaufnahme von AfD-Stimmen habe die Linke erfolgreich mobilisieren können.
Die Linke hat das Momentum gut genutzt
Heidi Reichinneks flammende Rede im Bundestag ging viral und habe vielen aus dem Herzen gesprochen. Zudem führte die Linke einen starken Online- und Offline-Wahlkampf mit intensiven Straßen- und Haustürkampagnen. "Viele Dinge, aber vor allem hat sie von dem Momentum profitiert", so die Politikwissenschaftlerin. Dadurch habe die Partei in den letzten Wochen vor der Wahl besonders bei jungen Wählenden deutlich zulegen können.
"Die Linke hat online und offline einen sehr guten Wahlkampf gemacht. Aber vor allem hat sie von dem Momentum profitiert."
Die Linke und Heidi Reichinnek waren auf Social Media und besonders auf TikTok sehr erfolgreich, meint Anna-Sophie Heinze. Während nach den Europawahlen vor allem die AfD auf der Plattform dominierte, habe die Linke hier ordentlich aufgeholt. Neben Reichinnek würden auch andere Mitglieder der Partei verstärkt auf diese Plattform setzen, um ihre Themen zu platzieren und zu mobilisieren.
Parteiensystem in Deutschland stark polarisiert
Auch die AfD hat bei jungen Wählenden gepunktet. Zurückzuführen sei das auf eine erfolgreiche Mobilisierung, Unzufriedenheit mit der Regierung, aber auch den politischen Einstellungen junger Menschen. Zudem spielt die zunehmende Normalisierung der Partei eine Rolle, sagt Anna-Sophie Heinze. Zugleich zeige der Erfolg von Linken und AfD wie stark das Parteiensystem derzeit polarisiert ist.
"Mit den Linken und der AfD als die stärksten Kräfte bei jungen Menschen sehen wir, wie stark polarisiert das Parteiensystem ist."
Für junge Wählerinnen und Wähler waren Themen wie innere Sicherheit, Migration, Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit entscheidend. Die AfD verknüpft etwa das Wohnraumproblem mit Migration und propagiert Abschieben schafft Wohnraum, so die Politikwissenschaftlerin. Die Linke hingegen setzt auf soziale Lösungen. Gleiche Themen wurden also aus völlig unterschiedlichen Perspektiven bespielt, was die politische Polarisierung verdeutliche.
Bei der letzten Bundestagswahl haben FDP und Grüne viele Erstwählerstimmen gewonnen, doch diesmal verloren beide deutlich. 2021 habe die FDP von ihrem Fokus auf Freiheit in der Pandemie und Digitalisierung profitiert, während die Grünen mit Klimaschutz punkteten. Dieses Mal standen andere Themen im Vordergrund. Zudem litten die Grünen unter ihrer Regierungsbeteiligung, da die Ampelkoalition als eine der unpopulärsten Regierungen gilt, so Anna-Sophie Heinze.