Nach der Wiederholung der Wahlen von Mai bestätigt sich das Ergebnis: Der Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu von der CHP wird neuer Bürgermeister von Istanbul. Er konnte seinen Vorsprung vor AKP-Kandidat Binali Yildrim sogar noch vergrößern.
Die Wahl im Mai war wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten für ungültig erklärt und wiederholt worden. Nach der Bestätigung von Imamoglu akzeptierte auch Yildrim das Ergebnis und gratulierte dem Gewinner. In Istanbul wurde die Wahl frenetisch bis tief in die Nacht gefeiert.
Korrespondentin Karin Senz wertet die Wahl auch als einen Protest gegen die Annulierung des Ergebnisses im Mai. So dass selbst AKP-Anhänger ihre Stimme nicht dem parteieigenen Kandidaten, sondern seinem Konkurrenten Imamoglu gegeben haben dürften. Selbst ein Stadtteil wie Fatih, der traditionell sehr viele konservative AKP-Wähler hat, hat diesmal mehrheitlich CHP gewählt. "Das ist schon sehr erstaunlich", so die Einschätzung der Korrespondentin.
"Ich glaube, auch AKP-Anhänger haben das als unrechtmäßig und als Eingriff in die Demokratie empfunden."
Viele Menschen äußern auch, dass sie keine Lust mehr haben auf dauernden Wahlkampf. Ihnen ist wichtiger, dass die Reformen in der Türkei angegangen werden. Denn die wirtschaftliche Lage in der Türkei ist aktuell alles andere als gut.
Symbolische Bedeutung für die ganze Türkei
Weil in Istanbul auch Erdogans politische Karriere begonnen hat, wird diese Wahl auch symbolisch gewertet. Als Anfang vom Ende der Ära Erdogan. Ob das tatsächlich so ist, bleibt natürlich spekulativ. Sicher ist allerdings, dass sich der Druck auf Präsident Erdogan dadurch erhöht. Denn diese Wahl wurde überall in der Türkei intensiv verfolgt. Für einige Menschen war der Eindruck so intensiv, dass sie auch in ihren Orten vor den Wahllokalen standen, um ihre Stimme abzugeben, weil sie dachten, es handele sich um eine landesweite Wahl.
"Man spürt einen gewissen Aufwind jetzt, dass Erdogan offensichtlich schlagbar ist, auch wenn diesmal nur sein Kandidat Binali Yildrim geschlagen worden ist."
Eine Veränderung des politischen Klimas wird aber auch innerhalb der AKP spürbar. Auch dort gibt es Erdogan-Kritiker, deren Stimmen allmählich lauter werden, so Karin Senz. Abdulla Gül, ein Mitbegründer der AKP, hat sich den Wahlkampfslogan des neuen Bürgermeisters von Istanbul Imamoglu zu Eigen gemacht und gesagt: "Her Şey Çok Güzel Olacak" - übersetzt: Alles wird noch schöner werden.
Auch der deutsch-türkische AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroğlu hat sich via Twitter kritisch geäußert. Er schrieb: "Weil wir unsere moralische Integrität verloren haben, haben wir Istanbul verloren.". Eine solche Selbstkritik wäre vor Monaten so nicht denkbar gewesen, erklärt Karin Senz.
Bereits vor der Wahl gab es Gerüchte, dass es eine neue Partei aus Mitgliedern der AKP geben soll. Die haben sich nach der Wahl von Ekrem Imamoglu noch einmal verstärkt. Bei aller Euphorie: Ekrem Imamoglu wird es nicht leicht haben, Istanbul zu regieren, denn der Stadtrat ist weiterhin AKP-dominiert.