Vor einem Jahr ist das Bündnis Sahra Wagenknecht vorgestellt worden: Eine Partei, die bei den bisherigen Wahlen punkten konnte, aber nicht jeden als Mitglied haben will. Luca ist 17 und will unbedingt Mitglied werden. Wieso ihm das eine Herzensangelegenheit ist.
Luca war diesen Sommer ziemlich busy. Abends, erzählt er, habe er mit guten Parteifreunden bis spät in die Nacht Plakate aufgehängt. Denn Luca unterstützt das BSW, das Bündnis Sahra Wagenknecht. Seit Juni ist er offiziell Unterstützer der Partei. Eigentlich wäre Luca auch offizielles Parteimitglied, einen Antrag hat er schon ausgefüllt. Die Entscheidung kann jedoch auf sich warten lassen. Denn so einfach ist das mit der Mitgliedschaft beim BSW nicht.
Strenge Mitgliederauswahl als strategischer Kniff
Das BSW gibt es in Deutschland ziemlich genau seit einem Jahr. Im Herbst 2023 verkündet Sahra Wagenknecht ihren Parteiaustritt aus der Linken und stellt ihren neu gegründeten Verein vor, den sie kurzerhand nach sich selbst benennt: Bündnis Sahra Wagenknecht, kurz BSW.
Inzwischen ist das BSW eine Partei und ziemlich erfolgreich. Bei den Europawahlen 2024 hat es über 6 Prozent geholt und bei den Landtagswahlen knapp 16 Prozent in Thüringen, fast 12 in Sachsen über 13 Prozent in Brandenburg. In Thüringen, dem Bundesland, in dem Luca das BSW unterstützt, verhandeln CDU, SPD und das BSW sogar über eine gemeinsame Regierung.
Für eine neu gegründete Partei sind das krasse Ergebnisse, ordnet Sarah Wagner ein. Sie ist Politikwissenschaftlerin an der Queen's University in Belfast in Nordirland und forscht zu linken Parteien in ganz Europa, unter anderem zum BSW. Wie viele Mitglieder die Partei hat, sei nicht klar, so Sarah Wagner. Man gehe von ungefähr 1.000 Mitgliedern aus, dazu kommen über 10.000 Unterstützerinnen und Unterstützer.
Strategisch sei es sehr klug, nicht zu viele neue Mitglieder auf einmal aufzunehmen, erklärt die Politikwissenschaftlerin. Denn gerade junge Parteien laufen durch eine schnelle Mitgliederansammlung Gefahr, verwässert zu werden oder in eine gewisse Richtung verändert werden, die von den Gründungsmitgliedern womöglich nicht beabsichtigt war.
"Ich möchte anderen jungen Menschen wieder Vertrauen in die Politik geben."
Die politischen Themen, die Luca wichtig sind, decken sich im Großen und Ganzen mit den Forderungen des BSW: soziale Gerechtigkeit, zu geringe Renten, der Pay Gap zwischen den Geschlechtern, aber auch zwischen Ost und West. Ein weiterer wichtiger Punkt ist (die Angst vor einem) Krieg und Waffenlieferungen, genauso wie die Migrationspolitik.
Politisch interessiert ist der 17-Jährige seit etwa drei Jahren. Mit dem BSW, sagt er, habe er endlich eine Partei gefunden, der er sich guten Gewissens anschließen kann. Der Kritik, Sarah Wagenknecht entscheide über alles in der Partei stimmt er nicht zu, und bezeichnet das als mediale Überzeichnung.
Kritik einer hierarchisch aufgebauten Partei
Die Politikwissenschaftlerin Sahra Wagner findet diese Kritik hingegen als absolut gerechtfertigt. Beim BSW handele es sich definitiv um eine "top-down organisierte Partei", sagt sie. Die aktuellen Koalitionsverhandlungen zeigen das, den regionalen Ablegern werde nicht viel Spielraum gelassen.
"Das BSW ist so weit entfernt von der Basisdemokratie wie der Veganer vom Steak."
Laut Politikwissenschaftlerin Sarah Wagner ist das BSW für diejenigen Menschen eine Option, die sich von den aktuellen Parteien nicht abgeholt oder gesehen fühlen, aber auch nicht die AfD wählen wollen. Das BSW hingegen fordert auch eine restriktivere Migrationspolitik, kommt aber ohne Stigma daher, wie Sarah Wagner es nennt.
Das Kernthema des BSW ist jedoch, der Krieg in der Ukraine, der, so die Forderung, diplomatisch gelöst werden solle. Vor allem hier lasse sich der Populismus des BSW erkennen, sagt Sarah Wagner. Denn die Darstellung, "es müssen sich einfach nur alle an einen Tisch setzen“ sei zu einfach, zu simplifizierend. Die Lösung – der Frieden – liege eben nicht in greifbarer Nähe.
Luca scheint zumindest nach außen hin die Kritik an der Figur Sahra Wagenknecht, der Parteistruktur oder den politischen Forderungen in keiner Weise zu teilen. Er wartet derzeit noch auf eine Entscheidung über seine Parteimitgliedschaft. Außerdem ist er dabei, ein BSW Jugendbündnis in Thüringen zu gründen.
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