Man kann schon einmal links und rechts verwechseln. Oder aber man vergisst eine 3: Das jedenfalls ist bei der Novelle der Straßenverkehrsordnung passiert. Weil die Ziffer fehlt und damit ein ganzer Absatz, ist die Novelle juristisch angreifbar. Sicherlich ärgern sich nun alle jene im Verkehrsministerium, die an der Novelle beteiligt waren. Wie kann so ein blöder Fehler geschehen? Irren ist leider menschlich, aber es gibt Mittel dagegen, so der Neurowissenschaftler Henning Beck.
Eigentlich sollte eine umfassende Novelle der Straßenverkehrsordnung auch mehr Sicherheit und Schutz für Fußgänger und Fußgängerinnen sowie für Radfahrer und Radfahrerinnen bringen. Dazu gehörte auch, dass Autofahrer und -fahrerinnen ihren Führerschein für einen Monat verlieren können, wenn sie innerorts 21 Kilometer pro Stunde zu schnell fahren. Vorher lag die Grenze bei 31 Stundenkilometern.
Doch der neue Bußgeldkatalog ist womöglich ungültig, weil in der Novelle eine Ziffer vergessen wurde und damit ein ganzer Absatz. In der Verordnung wird auf das Straßenverkehrsgesetz Paragraf 26a, Absatz 1 und 2 verwiesen. Aber es fehlt Absatz 3. Ohne den ist die Verordnung juristisch angreifbar und womöglich nichtig.
Irren ist menschlich, aber Checklisten können helfen
Natürlich ist die vergessene 3 im Bußgeldkatalog nicht der einzige Schusselfehler in der Geschichte. Es gibt viele weitere. In einem weiteren Beispiel geht es um verschiedene Maßeinheiten.
Es ist der 11. Dezember 1998: Die Nasa schickt die Sonde "Mars Climate Orbiter" ins Weltall. An Bord ist ein Satellit, der die Atmosphäre des Mars vermessen soll. Der Flug dauert neun Monate. Alles läuft glatt, bis die Sonde abbremsen soll, damit sie nicht in der Atmosphäre des Planeten verglüht. Doch in diesem Moment bricht der Kontakt ab.
Das Bremsmanöver schlägt fehl. Schuld daran ist ein Schusselfehler der Nasa-Ingenieure. Die hatten mit metrischen Maßeinheiten gerechnet, wie Meter, Kilometer und so weiter. In der Wissenschaft ist das auch Standard. Doch die Ingenieure des Unternehmens Lockheed Martin, Hersteller des Satelliten, hatten US-amerikanische Maße benutzt. nämlich Zoll und Fuß.
Dass Fehler passieren, sei nicht ungewöhnlich, findet der Neurowissenschaftler Henning Beck. Ob im Alltag oder eben auch in Behörden.
"Fehler passieren überall. Ob das jetzt in einem Ministerium ist oder in einer Raumfahrtbehörde. Oder auch beim Einkaufen."
Ein Grund für Fehler sei Betriebsblindheit. Das heißt, Prozesse und Abläufe wurden schon so oft durchlaufen, dass die Beteiligten zu wenig auf Details achten oder kleine Veränderungen übersehen. Man habe dann nur noch das große Ganze vor Augen, so Henning Beck. Mögliche Fehler rutschen dann durch. "Wenn das einer Person durchrutscht, dann rutscht das auch zwei oder drei Personen durch."
Zu viel Routine kann schlecht sein
Um Abläufe möglichst fehlerfrei durchzuführen, können Checklisten helfen. Denn das Überprüfen und Abhaken einzelner Arbeitsschritte braucht Zeit und Konzentration. Aus dem Ablauf wird Geschwindigkeit herausgenommen. Das könne helfen, Fehler zu vermeiden, so Henning Beck.
"Ein häufiger Fehler ist die Betriebsblindheit. Da muss man sich ganz bewusst dazu zwingen, Abläufe auszubremsen mithilfe von Checklisten."
Solch eine Checkliste für das Schreiben von Gesetzen wäre vielleicht auch eine gute Idee für das Verkehrsministerium. Die fehlende 3 ist nämlich nicht nur peinlich, sondern auch teuer. Aber Fehler hätten auch ihr Gutes, findet der Neurowissenschaftler.
"Wenn wir alles immer perfekt machen würden, dann wären wir auch unfassbar vorhersehbar. Wir wären nicht adaptiv."
Henning Beck will Flüchtigkeitsfehler wie im Verkehrsministerium nicht schönreden. Aber: Würden wir niemals Fehler machen, würden wir eine wichtige Fähigkeit verlieren, nämlich: auf kleine Veränderungen schnell zu reagieren und einen neuen Plan zu entwerfen.
Der Mensch sei so ausgelegt, dass Ausprobieren und Testen wichtiger seien als ein perfekter Plan, so der Neurowissenschaftler. Checklisten können vielleicht etwas helfen, aber Flüchtigkeitsfehler ließen sich einfach nicht vermeiden.
"Deswegen: So sehr du dir vornimmst, Flüchtigkeitsfehler zu vermeiden. Sie werden immer passieren. Du kannst prinzipiell nichts dagegen tun."
Aber zumindest kann man versuchen, die Zahl der Flüchtigkeitsfehler zu verringern. Zu viel Routine zum Beispiel ist nicht gut. Auch, wenn man zu selbstgefällig an die Sache herangeht.
"Die meisten Flüchtigkeitsfehler passieren dann, wenn man in so einem Trott drin ist und eigentlich gerade keine Angst vor einem Flüchtigkeitsfehler hat."
Deshalb ist es gut, sich nicht für perfekt zu halten. Besser ist es, Checks einzubauen, um Arbeitsschritte zu überprüfen. Oder bei wichtigen Abläufen eine Pause einzulegen und sich nochmal in Ruhe alles anzuschauen. Oder sogar eine Nacht drüber zu schlafen, so Henning Beck.
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