Durch die Corona-Beschränkungen fahren weniger Autos durch die Städte. Berlin, Wien, New York oder Mexiko City: Verkehrsplaner auf der ganzen Welt starten deshalb Experimente und nehmen Autos Platz weg, um ihn dafür Radfahrern und Fußgängern zu geben. Brüssel will das Ganze nun toppen: 40 Kilometer neue Radwege und Beschränkungen für Autos in der Innenstadt.
Paul Vorreiter, Dlf-Korrespondent in Brüssel, fährt regelmäßig mit dem Rad durch Brüssel. Es ist "die Hölle" sagt er – vor allem auf den vielen schmalen Einbahnstraßen, wo die Radfahrer trotzdem in beide Richtungen fahren dürfen. Rechts und links parken zusätzlich Autos, wenn dann einer die Tür aufmacht … Außerdem sei Brüssel voller riesiger Schlaglöcher. Gerade mit einem Rennrad sei das richtig gefährlich. Über das Experiment, dass in der Innenstadt Fußgänger und Radfahrer in Kürze absolute Priorität vor Autos haben sollen, freut er sich.
Fußgänger und Radfahrer auf der Straße
Der innere Ring der Stadt, der "Pentagone", soll für mindestens drei Monate zur Rad- und Fußgängerzone werden: Autos, Straßenbahnen und Busse dürfen dann nur noch höchstens 20 km/h fahren und müssen Flaneuren und Radlern Vorrang geben. Diese dürfen künftig überall gehen und fahren, auch auf der Straße. Hinweisschilder werden aufgestellt und Warnsignale auf dem Boden angebracht.
Sobald es losgeht (wahrscheinlich ab dem 11. Mai), sollen die Ampeln im gesamten Pentagone ausgeschaltet werden – beziehungsweise durchgehend orange blinken. Dann gilt immer rechts vor links. Um den Verzicht aufs Auto noch attraktiver zu machen, sollen außerdem bis zu 40 Kilometer neue Radwege gebaut werden. Nach drei Monaten soll das Konzept evaluiert werden.
"Insgesamt dient das Ganze dazu, noch mehr Leute davon zu überzeugen, aufs Rad umzusteigen."
Es ist nicht das erste Mal, dass die Brüsseler die Autos aus der Innenstadt verbannen, berichtet Paul Vorreiter. Eine große Innenstadtstraße, der Boulevard Anspach, wurde bereits zur Fußgängerzone. Davor mussten sich die Fußgänger auf den engen Bürgersteigen an den Autos vorbeidrängen.
Gute Nachricht nur für die Innenstadt
Während die Innenstadt quasi vollständig zum Wohngebiet erklärt wird, können dagegen die anderen 18 Stadtteile in Eigenregie entscheiden, welche Verkehrsregelungen sie treffen möchten, berichtet Paul Vorreiter. Sie können entweder ein gesamtes Viertel oder nur einzelne Straßenzüge zum Wohnviertel erklären.
"Es wird – typisch belgisch – einen Flickenteppich an unterschiedlichen Regeln geben."
Einige Brüsslerinen und Brüsseler befürchten, dass es nicht unbedingt sicherer auf den Straßen werden wird: Weil natürlich noch unklar ist, wie die Autofahrer sich verhalten werden, wenn auf der Straße überall Radfahrer und Fußgänger herumfahren beziehungsweise -laufen. Und manche Politiker machen sich in Corona-Zeiten Sorgen, dass die verkehrsberuhigte Innenstadt die Leute dazu einlädt, in die Stadt zu strömen, wo dann die Abstandsregeln nicht eingehalten werden.