Die Deutsche Eva Kirch lebt seit Jahren in London und darf trotz Brexit unbefristet bleiben. Für sie haben sich nur Kleinigkeiten verändert. Bei einigen ihrer Mitmenschen nimmt sie jedoch eine etwas nationalere Haltung war.
Vor fünf Jahren haben die Britinnen und Briten am 23. Juni 2016 mit knapp 52 Prozent dafür gestimmt, die Europäische Union zu verlassen. Der Brexit löste einen zähen Prozess mit etlichen Verhandlungen aus, der vier Jahre dauern sollte, bis die Menschen im Vereinigten Königreich am 01.02.2020 ihren "Point Of No Return" erreicht haben. Seit dem 01.01.2021 ist das Land auch nicht mehr Teil der Zollunion und des Binnenmarktes der EU.
Über den Brexit spricht kaum noch jemand
Trotz der langjährigen Verhandlungen, der vielen Gespräche zwischen der britischen Regierung und der EU, den offenen Fragen, die lange ungeklärt waren, gehen die meisten der Menschen in Großbritannien heute, ein halbes Jahr nach dem endgültigen Brexit, eher nüchtern mit dem Ausstieg um, erzählt Eva Kirch.
Die gebürtige Kölnerin lebt seit 2005 mit kürzeren Unterbrechungen in London. Britinnen und Briten redeten allgemein eher selten über den Brexit. Das Leben gehe eben weiter.
"Es war eine große Debatte, und jetzt hat sich nicht viel geändert – weder im Guten, noch im Schlechten, außer dass mal der Mozzarella kurz aus war."
"Ich glaube, viele Menschen, die dafür gestimmt hatten, haben sich viel mehr erhofft", sagt Eva. Das treffe weniger auf die Menschen im kosmopolitischen London zu als auf die Britinnen und Briten, die in ländlicheren Regionen leben. Für sie blieb der große Wandel durch die neu gewonnene Unabhängigkeit aus. Verbessert hat sich ihre Lebensrealität durch den Brexit nicht. Was sich hingegen verändert hat, ist der Patriotismus.
Mehr Stolz für die Insel
So bewerben beispielsweise einige Lebensmittelhersteller seit dem Brexit explizit Produkte, die aus Großbritannien kommen und dort hergestellt wurden, sagt Eva. Diese Betonung auf eine lokale Produktion komme außerhalb Londons auch gut an.
In der englischen Hauptstadt seien die Menschen weiterhin weniger an britischen Lebensmitteln interessiert, dort gebe es eher einen Aufruhr, wenn das Gerücht aufkommt, im Supermarkt sei der italienische Mozzarella knapp.
"Ich kann mir vorstellen, dass der Brexit für Menschen außerhalb Londons, die gegebenenfalls auch dafür gestimmt haben, mental viel geändert hat – in ihrem Stolz und in ihrem Patriotismus für ihre Insel."
In ihrem Alltag spürt Eva Kirch den Brexit oft bei Kleinigkeiten. Hat sie zum Beispiel etwas bei einem Besuch in Deutschland vergessen und lässt sich ein Paket nach London schicken, fallen jetzt Zollgebühren an. Beim Onlineshopping sieht das oft ähnlich aus. Dann steht der Postbote vor der Tür und fragt nach ihrer Kreditkarte, erzählt sie.
Vorzeigen, dass man bleiben darf
Weil sie schon länger als fünf Jahre in London lebt, darf sie auch weiterhin dort bleiben, sie hat eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Für andere EU-Bürgerinnen und EU-Bürger ist das Visum wiederum an ihre Arbeitsstelle in Großbritannien gekoppelt.
Reist Eva jetzt nach Großbritannien ein, muss sie ihre Aufenthaltsgenehmigung vorlegen. Als sie das Dokument zum ersten Mal vorzeigen musste, war das schon verrückt, bestätigen zu müssen, dass sie tatsächlich in London lebt, sagt sie.
Immer wieder zurück nach London
Auch nach dem Brexit ist London ihr zu Hause. Sollte sich das einmal ändern, wäre das für Eva auch okay. "Man kommt und geht, das ist in London nicht ungewöhnlich. Es sind immer irgendwelche Leute in London, die man kennt, und dann ist man wieder für ein paar Jahre weg", erklärt sie.
Im Gespräch mit Rahel Klein erzählt Eva Kirch von freundlichen Grenzbeamten, schlechtem englischen Wein und erklärt, wieso die Corona-Pandemie für manche Brexit-Befürworter eine Bestätigung ist.