Wie kann die Einführung einer Abnehmspritze die Aktienkurse anderer Unternehmen fallen lassen? Und warum gibt es manchmal an den Börsen so heftige Reaktionen? Anne-Catherine Beck hat sich das angeschaut – und einige Antworten gefunden.
Sogenannten Abnehmspritzen sorgen seit ein paar Monaten an der Börse für Aufsehen. Bereiche wie die Lebensmittelbranche, die Gesundheitsbranche und auch der Diätmarkt fürchten sogar Umsatzrückgänge und fallende Aktienkurse.
- In der EU ist die verschreibungspflichtige Abnehmspritze "Wegovy" des Herstellers Novo Nordisk seit Juli 2023 auf dem Markt erhältlich und für Menschen mit erhöhtem Übergewicht zugelassen.
- Der enthaltene Wirkstoff Semaglutid wurde ursprünglich zur Behandlung von Diabetes-Typ-2 entwickelt – das Diabetes-Medikament heißt "Ozempic" (ebenfalls von Novo Nordisk)
- "Ozempic" und "Wegovy" enthalten die gleichen Inhaltsstoffe, sind aber unterschiedlich hoch dosiert.
Semaglutid und die Wirtschaft
Es gibt natürlich auch noch andere Hersteller von solchen Spritzen. Die Tatsache, dass Semaglutid den Appetit hemmt, könnte auf sämtliche Bereiche der Wirtschaft Auswirkungen haben.
"Man muss es [Semaglutid] permanent spritzen."
Tatsächlich schätzt auch die Investment-Bank Barclays, dass die Jahresumsätze bei Lebensmittelunternehmen allein wegen der Abnehmspritze in der Zukunft um mehr als ein Prozent zurückgehen könnten. Das hört sich im ersten Moment vielleicht nicht viel an – bei einem Konzern wie McDonalds wären es umgerechnet allerdings 250 Millionen US-Dollar (abgeleitet vom Jahresumsatz).
"Unter dem Strich kann ich mir schon einen Rückgang bei der Nachfrage bei bestimmten Lebensmitteln vorstellen. Inwieweit das allerdings nachhaltig ist, ist extrem schwer zu sagen."
Börsenexperten wie der Kapitalmarktstratege Kai Brüning halten einen Effekt auf die Lebensmittelbranche zumindest nicht für unrealistisch – allerdings mit Einschränkungen. Er sagt, das sei langfristig einfach schwer zu beurteilen.
"Jeder geheilte Übergewichtige muss sich ja weiterhin ernähren und einkaufen."
In anderen Branchen werden die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Spritze als ziemlich bedeutend eingeschätzt. Denn auch Diätanbieter, Diätprodukte oder Abnehmapps müssten mit Umsatzrückgängen rechnen, wenn plötzlich eine Spritze Übergewicht und Probleme beim Abnehmen lösen kann.
Aktienkurse verschiedener Branchen reagieren
Das schätzt auch Börsenexperte Stefan Riße so ein: "Wenn ich überlege, was ich schon an Titeln auf Zeitschriften gesehen habe, wo es um Abnehmen ging, also um Diäten. Oder auch die Low-Carb-Produkte in den Supermarktketten. Die könnten natürlich alle leiden, wenn jetzt eine Abnehmspritze all die Probleme lösen kann."
Prognosen bleiben Prognosen
Es gibt auch Kurse, die beständig steigen: Seitdem die Abnehmspritze Wegovy in der EU erhältlich ist, also seit Juli 2023, ist der Aktienkurs von Novo Nordisk bis heute (Stand März 2024) um über 50 Prozent gestiegen.
"Dass sich diese Abnehmspritze wirklich in der breiten Masse durchsetzt, werden wir in diesem Jahrzehnt nicht mehr erleben."
Wichtiger Punkt: Aktuell wird das verschreibungspflichtige Medikament nicht von den Krankenkassen übernommen. Zwischen 170 und 350 Euro kostet allein eine Monatsration. Ob die Spritze überhaupt jemals zu einem Massenprodukt wird, ist bislang unklar. Ihre Wirkung an der Börse und in einzelnen Branchen ist allerdings jetzt schon groß.
In dieser Folge geht es auch darum, warum Anleger*innen an der Börse oft so extrem reagieren. Und am Beispiel eines Unternehmens zeigt unsere Host Anne-Catherine, wie ein Kurs genauso schnell wieder steigen kann, wie er gefallen ist.
Habt ihr auch manchmal einen WTF-Moment, wenn es um Wirtschaft und Finanzen geht? Wir freuen uns über eure Themenvorschläge und Feedback an whatthewirtschaft@deutschlandfunknova.de.
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