Die Verlängerung des Lockdowns bis zum 7. März 2021 wurde auch durch die Ausbreitung von Corona-Mutationen begründet, die infektiöser sind. Der Bioinformatiker Rolf Apweiler hält diese Gefahr für begründet. Es gibt keinen Grund, warum es in Deutschland anders laufen sollte als zum Beispiel in Portugal oder Großbritannien.
Das neuartige Coronavirus hat mittlerweile verschiedene Mutationen entwickelt. Diese neuen Varianten sind infektiöser: Durch Veränderungen der Oberfläche des Virus kann es quasi besser andocken und Menschen anstecken. "Man braucht weniger Viren einzuatmen; sie bleiben besser kleben. Und damit können die 'besser' infizieren", erklärt der Bioinformatiker Rolf Apweiler.
Er ist Direktor des European Bioinformatics Institute des European Molecular Biology Laboratory in Cambridge und er gehört zu den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, die die Bundesregierung in der Corona-Krise beraten.
Auch gegen die Mutationen hilft: Kontakte beschränken
Gegen die Corona-Mutationen helfen die bekannten Schutzmaßnahmen wie Abstand halten und Maske tragen. Und es ist wichtig, Kontakte weiter möglichst einzugrenzen, so Rolf Apweiler. Das ist herausfordernd, denn die Kontaktbeschränkungen verlangen allen schon viel ab.
Aber in Ländern, die zurzeit die Corona-Mutationen erfolgreich zurückdrängen, habe genau das geholfen. "Da hat man die Mobilität der Menschen untereinander deutlich reduziert", so Rolf Apweiler.
"Man muss einfach versuchen, Kontakte zu reduzieren. Das ist blöd, denn wir haben schon wenig Kontakte."
Dass die Infektionszahlen infolge der Mutationen auch in Deutschland in den kommenden zwei bis drei Wochen explodieren, obwohl diese zuletzt zurückgegangen sind, davon ist der Wissenschaftler überzeugt. Denn: "Das hat man auch in Großbritannien gesehen, in Irland, Portugal, Tschechien und in der Slowakei", sagt Rolf Apweiler. Die Infektionszahlen seien extrem gestiegen und Deutschland sei keine Ausnahme.
"Es gibt keinen Grund, dass es in Deutschland grundsätzlich anders verläuft."
Ende 2020 gehörten in Deutschland unter ein Prozent der positiven Corona-Tests zu den neuen und infektiöseren Varianten, so der Wissenschaftler. Ende Januar lag der Anteil bei sechs Prozent und Anfang Februar bei zwölf Prozent.
Entscheidend ist: Was können die Gesundheitsämter leisten
Vor diesem Hintergrund hat Rolf Apweiler erwartet, dass die geltenden Regeln beibehalten oder sogar verschärft werden. Am 10. Februar hatten sich Bund und Länder auf eine Verlängerung des Lockdowns bis zum 7. März verständigt. Wir haben hier darüber berichtet. Ausnahmen sind Friseure, die ab dem 1. März wieder arbeiten dürfen. Außerdem entscheiden die Bundesländer in den nächsten Tagen, ob und wie sie Schulen und Kindergärten wieder öffnen. Für weitere Öffnungen zum Beispiel im Einzelhandel war der Inzidenzwert 35 ins Spiel gebracht worden.
Für Rolf Apweiler geht es aber nicht um irgendeine fixe Inzidenzzahl. Es gehe darum, dass die Gesundheitsämter in der Lage sein müssen, frühzeitig zu erkennen, wer erkrankt ist, um diese Personen rasch kontaktieren zu können, damit sie sich isolieren. Außerdem sei es wichtig, Kontakte nachverfolgen und Infektionsketten überwachen zu können. "Sodass man jede Infektionskette ganz schnell unterbricht", sagt Rolf Apweiler.
"Ich hätte bevorzugt, wenn man die geltenden Regeln beibehalten und idealerweise verschärft hätte."
Ob Gesundheitsämter das schaffen, lässt sich nicht an einem Inzidenzwert festmachen. Denn die Ämter sind unterschiedlich gut aufgestellt: Manche können möglicherweise bei einer Inzidenz deutlich über 35 noch Infektionsketten kontrollieren und unterbrechen. Andere müssen schon bei 20 aufgeben.
Im Moment kann der Wissenschaftler nicht erkennen, dass die Gesundheitsämter flächendeckend in der Lage sind, Infektionsketten unterbrechen zu können. "Bis dahin müssen wir auf sicher spielen. Sonst kann einem das wirklich um die Ohren fliegen", sagt Rolf Apweiler.