Die Geschichte von der Opferung Isaaks ist eigentlich glasklar: Im 1. Buch Mose 22 will Abraham den Befehl Gottes befolgen und seinen geliebten Sohn als Menschenopfer darbringen. Doch im allerletzten Moment erscheint ein Widder, der schließlich als Opfer ausreicht. Isaak bleibt verschont. Doch weit gefehlt! Auch wenn wir das so in der Schule oder Kirche gelernt haben: Das ist nur eine von vielen Interpretationen.
In Wirklichkeit könnte Isaak doch getötet worden sein. Über diese Variante klärt uns Peter Schäfer, der Direktor des Jüdischen Museums Berlin auf. Er war einer der Redner auf der Fachtagung "Kill me a son!" am 3. und 4. September 2015. Schäfer stellt verschiedene Auslegungen aus der Sicht des Judentums vor, nach denen Abraham seinen Sohn tatsächlich umgebracht hat. Nicht nur im Judentum, auch im britischen Kulturgut, ist diese Art Interpretation fest verankert, so in Benjamin Brittens "War Requiem".
"Isaak wurde danach nicht nur wirklich geopfert, sondern mehr noch: Sein Blut ermöglicht die Rettung Israels aus Ägypten."
Nach den jüdischen Auslegungstexten war es viel weniger ein Mord als eher Selbstmord. Einen jungen Mann im kräftigsten Alter könne der beträchtlich betagtere Vater gar nicht ohne dessen Einverständnis fesseln und gebunden auf den Altar gelegt haben, so der Judaist Schäfer.
Um die christlich-jüdisch-islamische Verwirrung komplett zu machen: Im Koran, so erzählt Angelika Neuwirth vom Seminar für Semitistik und Arabistik an der FU Berlin, werde Isaak bei der Opferung noch nicht einmal namentlich erwähnt. Es gehe dort auch nicht um den einzigen Sohn wie etwa in der Bibel. Abraham sei für die Gemeinde des Propheten Mohammed ein Sozialrevolutionär gewesen.
"Abraham ist als der Götzenzertrümmerer, als Vernichter falscher Gottheiten schlechthin in die Geschichte eingegangen."
Eine Frage des Gehorsams? Im ersten Teil des Hörsaals zum Thema beschäftigen sich der evangelische Dekan Dietrich Neuhaus und der Theologie Christoph Markschies mit problematischen Lesarten der Opfergeschichte Isaaks.