Borkenkäferplage oder kommerzielle Interessen? Im polnischen Bialowieza-Nationalpark sollen hundertausende Bäume gefällt werden. Jetzt gibt es massive Kritik an diesem Vorgehen.

Etwa 80 Prozent des bislang geschützten Gebietes gehören zum polnischen Staatsforst. Jetzt will die Forstverwaltung mehrere hundertausend Bäume fällen - etwa fünfmal mehr als bisher vorgesehen. Die Forstverwaltung begründet die extreme Abholzung damit, dass ein Borkenkäferbefall ganze Lebensräume bedrohe, berichtet Polen-Korrespondent Florian Kellermann.

"Die Regierung erlaubt sich das praktisch selber. Das Umweltministerium behauptet, das Abholzen sei unbedingt notwendig."
Florian Kellermann, Deutschlandfunk-Nova-Korrespondent in Polen

Der Nationalpark, der sich auf polnischem und weißrussischem Gebiet erstreckt, ist in Europa einzigartig, da es sich um einen ursprünglichen Wald handelt. "Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein normaler Wald, doch diese Wildheit der Natur findet man nur selten", sagt Florian. Etwa 12.000 Tierarten leben hier, auch die Pflanzenwelt ist außergewöhnlich, darunter bedrohte Arten oder Gattungen, die sich ganz anders entwickeln als in anderen europäischen Wäldern. So gehört der Bialowieza zum offiziellen Welterbe der Unesco.

Angst um den Wald

Umweltschützer kritisieren das Vorhaben der Regierung. Sie halten diesen Umgang mit dem Borkenkäferbefall für falsch. Dadurch werde das besondere Ökosystem in Gefahr gebracht. Sie argumentieren: Bialowieza sei ein Wald, der auf natürliche Art funktioniere. "Wenn hier von sich aus Bäume umfallen, die vom Borkenkäfer befallen sind, dann bilden sich auf ihnen neue Mikroorganismen, es entsteht neues Leben und eine neue Artenvielfalt", sagt Ewa Sufin, die sich in Umweltverbänden und bei den Grünen engagiert.

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Die Umweltschützer vermuten zudem wirtschaftliche Interessen hinter der Abholzung. Die Regierung wolle das Holz verkaufen. Ebenfalls in der Kritik steht noch ein weiteres Vorgehen der Behörden. Denn mittlerweile können auch die Wisente gejagt werden. Die seltenen Rinder sind quasi Markenzeichen des Parks.

Für die Umweltschützer ist das ein weiteres Indiz für kommerzielle Interessen der Regierung, da die Jagdlizenzen verkauft würden. Unterstützung bekommen die Kritiker auch von Rafal Kowalczyk, Direktor des Säugetier-Instituts in Bialowieza. Er prangert diese Verkaufspraxis an. Eigentlich sei das nicht gestattet.

"Wir sollten bedenken, dass die Wisente eine seltene Art sind. Weltweit existieren weniger Wisente als Polarbären. Diese Abschüsse sind ein Versagen unseres Umweltschutzes."
Rafal Kowalczyk, Direktor des Säugetier-Instituts in Bialowieza

"Der Protest wird breiter", so Florian Kellermann. Zuletzt gab es Demonstrationen in Warschau, auch unter Beteiligung polnischer Musiker und Künstler. Sie wollen sich dafür einsetzen, dass der Park als "nationaler Schatz" erhalten bleibe.

Und auch die Unesco hakt nach. Bereits vor dem Entschluss der polnischen Regierung hatte sie einen umfassenden Plan gefordert, wie der Wald in Zukunft geschützt werden könne. Allerdings war in den bisherigen Entwürfen der polnischen Behörden von der Abholzung des Waldes keine Rede, so Deutschland-Nova-Korrespondent Florian Kellermann.

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Shownotes
Bialowieza-Nationalpark in Polen
Gefahr für den letzten Urwald Europas
vom 23. Juni 2017
Moderatorin: 
Donya Farahani
Gesprächspartner: 
Florian Kellermann, Deutschlandfunk-Nova-Korrespondent in Polen