"Du kannst das so viel besser, Schatz" – Strategische Inkompetenz beschreibt das absichtliche Blödstellen, damit die Aufgabe der oder die andere machen muss. Das kann zum Problem werden, auch wenn wir das nicht immer aus Absicht machen.

Strategische Inkompetenz in der Partnerschaft ist ein großes Thema in den Sitzungen bei der Paar- und Sexualtherapeutin Julia Henchen. Dabei gehe es häufig um kleine Alltagsaufgaben, die anderen entweder zugeschoben oder selbst zu oft übernommen werden.

"Es sind oft Belastungsthemen, wo eine Person das Gefühl hat, man räumt zu oft hinterher oder muss an alles denken und die andere Person entzieht sich."
Julia Henchen, systemische Therapeutin

Häufig würde sich eine Person überfordert fühlen, weil sie an alles denken muss, während der Partner oder die Partnerin weniger Verantwortung trägt und Aufgaben abgibt. Besonders bei Haushaltstätigkeiten sei das häufig der Fall. Dieses Ungleichgewicht kann belastend sein, wenn zum Beispiel eine Person ständig hinterherräumt und alles organisiert, während die andere sich entzieht, sagt Julia.

Strategische Inkompetenz muss keine Absicht sein

Den Müll nicht herunterbringen, weil wir keine Lust haben und die andere Person darum bitten, das machen wir alle regelmäßig, sagt Julia. Gehe es aber um Aufgaben, die wir vermeiden, da wir sie als besonders herausfordernd empfinden, könne das oft auf Erlerntes zurückgehen – ein Verhalten, das wir uns beispielsweise von Eltern oder Bezugspersonen abgeschaut haben. Auch Angst vor Fehlern führe häufig zu unbewusstem Vermeidungsverhalten, das weniger absichtlich als instinktiv ist.

In der Paar- und Sexualtherapie sieht Julia Händchen in solchem, aber auch in anderen problematischen Verhaltensmustern immer auch eine Chance mehr über sich, den Partner und die Beziehung zu lernen. Wir sollten die Möglichkeit nutzen, uns zu hinterfragen, so Julia: Woher kommt das Verhalten, wie fühle ich mich dabei und wie kann man darüber kommunizieren, um die Beziehung zu stärken?

"In der Paartherapie finde ich jedes Verhalten irgendwie auch positiv, weil es eine Chance birgt, darüber ins Gespräch zu kommen."
Julia Henchen, systemische Therapeutin

Nicht selten stecken hinter unbewusstem Verhalten tiefere Themen – Verlustängste zum Beispiel. Wenn eine Person in der Partnerschaft zu Aufgaben übernimmt, um jemanden zu binden, sei das keine optimale Voraussetzung für eine Beziehung. Es helfe, so ein Verhalten und das zugrunde liegende Bedürfnis zu hinterfragen und gegebenenfalls zu bearbeiten.

Julia plädiert dafür, Ängste, Sorgen und tieferliegende Themen in der Partnerschaft offen anzusprechen und zu reflektieren. Nur so können gemeinsame Lösungen gefunden werden.

Shownotes
Alltagsaufgaben vermeiden
Beziehung: Strategische Inkompetenz kann Problem sein
vom 17. Dezember 2024
Moderator: 
Thilo Jahn
Gesprächspartnerin: 
Julia Henchen, systemische Therapeutin