In einer Beziehung gibt es Höhen und Tiefen. Polina findet, dass es sich lohnen kann, für die Beziehung zu kämpfen und berichtet aus eigener Erfahrung. Anna Wilitzki ist Psychologin und bietet Paar-und Einzeltherapie an.
Nach drei Monaten Beziehung ist Polina mit ihrem Freund zusammengezogen. Dann fingen die ersten Konflikte an. Es krachte bald so sehr, dass sie gleich wieder auszog und sich für eine Weile von ihrem Freund trennte.
Damals habe sie sich total eingeengt gefühlt, erzählt Polina. Als Single-Frau, die sie vorher war, sei es ihr total schwergefallen, im Alltag plötzlich auf jemanden Rücksicht zu nehmen. Inzwischen ist Polina aber mit diesem Mann nicht nur verheiratet, sie haben auch ein Baby.
Lohnt es sich für die Beziehung zu kämpfen oder nicht?
Heute reflektiert Polina, hätten die Probleme zu 80 Prozent mit ihr zu tun gehabt und nur 20 Prozent mit der Beziehung. Mit einem anderen Partner wäre es wahrscheinlich genauso gelaufen, sagt sie.
In der Trennungszeit wollte sie auch keinen Kontakt zu ihrem jetzigen Mann haben. "Ich wollte erst mal schauen, was los ist. Liegt es komplett an mir, liegt es an unserer Beziehung? Lohnt es sich dafür zu kämpfen? Oder lässt man es einfach sein?", sagt Polina.
"Ich wollte erst mal schauen, was los ist. Liegt es komplett an mir, liegt es an unserer Beziehung? Lohnt es sich dafür zu kämpfen? Oder lässt man es einfach sein?"
Ihrem Partner rechnet Polina hoch an, dass er sie in dieser Zeit zunächst hat ziehen lassen und ihren Abstand akzeptiert habe. Der erste Schritt sei dann aber von ihm gekommen, es folgten intensive Gespräche und schließlich ein Überraschungsbesuch an Weihnachten bei ihren Eltern.
Von da an habe sich das Blatt gewendet. "Ich war verdutzt, aber tief innerlich habe ich mich auf jeden Fall gefreut", sagt Polina. Kurze Zeit später waren sie dann wieder ein Paar.
Zurück in Beziehung - ein langer Kampf
Den Kampf um die Beziehung gebe es aber auch heute noch ab und an, sagt Polina. Sie und ihr Partner würden versuchen, viel miteinander zu sprechen, sie streiten, weinen, versöhnen sich wieder, sagt sie.
"In schwierigen Phasen macht es Sinn, sich manchmal eine neutrale Person dazu zu holen, die ja das Ganze moderiert und man auch die andere Sichtweise erkennt. Das hat uns sehr geholfen."
In schwierigeren Phasen gehen sie auch mal zur Paarberatung. Die Perspektive und Moderation einer neutralen Person sei oft sehr hilfreich, sagt Polina. Dazu sei eine offene und ehrliche Kommunikation sehr wichtig – auch wenn es ihr noch heute mitunter schwer falle, Kritik anzunehmen, ohne sich gleich beleidigt zu fühlen, sagt sie.
Beziehungskrise – Selbstreflexion und Kritikfähigkeit ist gefragt
Mit Paaren, die in Krisen stecken, kennt sich die Psychologin und Therapeutin Anna Wilitzki gut aus. Wann es sich lohne, für eine Beziehung zu kämpfen oder nicht, sei sehr individuell, sagt sie. Manchmal würden Paare über die Jahre sogar zu viel kämpfen. Auf der anderen Seite gebe es junge Beziehungen, in denen zu wenig investiert werde, sagt sie.
In schwierigen Phasen seien wir manchmal emotional sehr aufgeladen. Dann könne es helfen, auch mal kurz auf Abstand zu gehen, mit Freunden zu sprechen, schöne, aber auch negative Dinge aufzuschreiben. Wenn die Partnerin oder der Partner bereit sei, zu reflektieren, mitzuarbeiten und Kritik anzunehmen, wären das schon mal gute Voraussetzungen, an der gemeinsamen Beziehung zu arbeiten.
"Wenn wir emotional sind, kann es ganz gut sein, die Sache ein bisschen mit Abstand zu betrachten."
Probleme würden oft dann auftreten, wenn Paare zusammenziehen. Haushalts- oder Alltagsthemen seien dann häufig die typischen Streitpunkte. Nicht immer müsse da aber gleich die komplette Beziehung infrage gestellt werden. Wenn der Rest gut funktioniere, dann lassen sich für die Gestaltung des gemeinsamen Alltags gute Kompromisse finden. Deutlich schwieriger werde es dagegen bei Betrug und Lügen in der Partnerschaft.
Bereitschaft und Offenheit für einen Prozess
Für eine Beziehung zu kämpfen – darunter versteht die Psychologin die Bereitschaft für einen Prozess. Menschen entwickeln sich trotz der Partnerschaft individuell, das schlage sich auch auf die Entwicklung der Beziehung nieder. Dabei sei eine Offenheit für Kritik des Anderen wichtig sowie für Fragen wie: "Wo stehen wir eigentlich? Wer sind wir? Sind wir bereit, uns immer wieder neu kennenzulernen?", so die Therapeutin.
"Wir brauchen die Konflikte, und die sind nicht das Problem, sondern wir. Der Punkt ist nur wie geht man damit um?"
Eines aber sei völlig klar: Ohne Konflikte und Streitereien gehe es in Beziehungen nicht. Bei Paaren, die beispielsweise auf Social-Media posten würden, dass sie sich in zwölf Jahren noch nie gestritten hätten, "da bekomme ich Gänsehaut", sagt Anna Wilitzki. Dahinter stecke meist nur die Angst, nicht in einen Konflikt zu geraten. Wir bräuchten Konflikte. Und die seien auch nicht das Problem, sondern unser Umgang damit, so die Psychologin. Paare könnten daran nämlich auch wachsen.
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- Polina und ihr jetziger Mann waren am Anfang der Beziehung erst getrennt - und haben sich dann entschieden, um ihre Beziehung zu kämpfen
- Psychologin Anna Wilitzki weiß, wie es aussehen kann, für eine Beziehung zu kämpfen