Die Debatte um bezahlbaren Wohnraum ist nun auch im Bundestag angekommen. Während Die Linke sogar vor Beschlagnahmung nicht zurückschrecken würde, will die FDP lieber neu bauen lassen.
Bundesweit sind Anfang April 55.000 Menschen auf die Straße gegangen, um gegen zu hohe Mieten und zu wenig bezahlbaren Wohnraum zu demonstrieren. Außerdem wurde in Berlin eine Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren gestartet mit dem Ziel, große Wohnkonzerne zu enteignen (zu den Begriffen "Enteignung" und "Vergesellschaftung" unten mehr). Darüber debattieren jetzt auch Politiker im Bundestag.
Die Gegner von Enteignung sagen, dass auch das nicht den dringend benötigten neuen Wohnraum schaffen wird. Die Befürworter argumentieren, dass Wohnen ein Menschenrecht sei und keine Ware. Und die Demonstrationen am Wochenende haben deutlich gezeigt, dass das Thema nicht nur junge Menschen betrifft, sagt Nadine Lindner aus unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
"Da waren auch 80-Jährige, die gesagt haben: 'Falls ich aus meiner Wohnung fliege, ich hab überhaupt keine gar Chance mehr, jemals dann eine neue zu bekommen'."
Das Problem sind vor allem die Spekulationen mit Wohnraum, erklärt unsere Korrespondentin. Die Protestierenden in Berlin zum Beispiel möchten, dass vor allem die Mieterinnen und Mieter bei der Berliner Wohnungsgesellschaft "Deutsche Wohnen" mehr Planungs- und Lebenssicherheit bekommen.
Das Unternehmen wird zum einen kritisiert, weil Sanierungen zu massiven Mieterhöhungen geführt hätten. Auf der anderen Seite aber habe die Instandhaltung von Wohnungen überhaupt nicht funktioniert in der Vergangenheit. So wurden zum Beispiel defekte Heizungen über Wochen nicht repariert, weil das Unternehmen nicht zu erreichen war.
Zurückkaufen oder Neubau fördern?
Ob es am Ende wirklich zu Enteignungen kommt, ist fraglich. Denn es wird auch diskutiert, die Wohnungen für sehr viel Geld zurückzukaufen. Wie viel Geld das sein wird, darüber gibt es sehr unterschiedliche Spekulationen, sagt Nadine Lindner vom Hauptstadtstudio Berlin. Ein Befürworter des Volksbegehrens für Enteignung rechnet mit etwa vier bis sieben Milliarden Euro – und die hält er für eine recht übersichtliche Investition, die Berlin durchaus aufbringen könne. Es werden aber auch Summen von 30 Milliarden Euro gehandelt.
Enteignungen für Infrastrukturprojekte existieren bereits
Enteignungen gibt es im Übrigen auch schon jetzt. Zum Beispiel beim Bau der Autobahn A 100, die durch Berlin unter anderem nach Treptow weiter gebaut wird. Oder auch beim Braunkohleabbau. Das heißt bei größeren Infrastrukturprojekten, wie zum Beispiel der Energiegewinnung, gibt es sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Brandenburg viele Verfahren von Grundstücksbesitzern, die ihre Grundstücke nicht hergeben wollten und dann enteignet wurden.
Während die Linke sogar Beschlagnahmung fordert, können sich die Grünen Enteignung als allerletztes Mittel vorstellen. Grünen-Chef Robert Harbeck fände es aber wirksamer, Bodenspekulationen zu verhindern, also den Kauf und Verkauf von Bauland. Katja Kipping von der Linken fordert auch Beschlagnahmung zur Not. Die SPD hingegen kann sich nicht so richtig einigen. Der Vorstoß von Andreas Nahles lautet, man bräuchte einen Mietenstopp, das heißt die Mieten dürften über die nächsten fünf Jahre nicht mehr weiter ansteigen. Wie und ob das funktionieren könnte, da ist Korrespondentin Nadine Lindner aber skeptisch.
"Ich bin da nicht so zuversichtlich, wenn man sich die Debatte um die Mietpreisbremse anguckt, ob das wirklich wirken kann."
Auf der anderen Seite stehen AfD, CDU und FDP. Letztere stehen auf dem Standpunkt, dass Enteignung keinen neuen Wohnraum schafft. Das einzige Mittel sei, mehr zu bauen. Und deshalb sollen die Anforderungen an Neubauten gesenkt werden, zum Beispiel beim Thema Energie.
Zu den Begriffen Enteignung und Vergesellschaftung:
Die Aktivisten in Berlin fordern die "Enteignung", den Begriff benutzen auch viele Medien. Juristisch wäre es aber eine Vergesellschaftung nach Artikel 15 des Grundgesetzes.
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