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Binh hat sich als Fotograf selbstständig gemacht und kann davon leben. Er hat keinen Plan B und geht zuversichtlich seinen Weg. Selbstständigkeit ist aber nicht selten von der Angst geprägt, zu scheitern. Die braucht es aber nicht, sagt ein Experte.

Es gibt die Momente in seinem Job, da spürt Binh eine tiefe Dankbarkeit. So einen Moment hatte er zum Beispiel, als er ein Tanzcamp in Österreich begleitet hat. Für mehrere Tage war sein Arbeitsplatz mitten in der Natur an einem Bergsee.

Hier kann er seiner Kreativität freien Lauf lassen. Binh ist Fotograf. Seit zwei Jahren ist er selbstständig, hat ein eigenes Studio und kann davon leben. Das macht ihn stolz.

Er kennt aber auch Momente, in denen Zweifel aufkommen. "Als Selbstständiger ist es manchmal schwierig, wenn man in einer etwas komplizierteren Phase ist, dann auf das Konto schaut und denkt: 'Wie plane ich jetzt weiter?'", sagt er.

"Wenn Geldsorgen kommen, denkt man darüber nach: 'Warum mache ich das eigentlich?'"
Binh, hat sich als Fotograf selbstständig gemacht

Papierkram und Finanzen sind generell ein Teil der Selbstständigkeit, den Binh nicht so gerne mag. Wenn er beispielsweise das Honorar für einen Auftrag verhandeln muss, ist ihm das eher unangenehm, erzählt er. Aber er weiß, dass man gutes Verhandeln auch lernen kann. Und wenn er eine Aufgabe abgeben kann, in dem Fall an seine Steuerberaterin, dann macht er das.

Chancen und Risiken der Selbstständigkeit

Was Binh über die vielen anderen Aufgaben erzählt, die neben dem kreativen Arbeiten zu seiner Selbstständigkeit dazugehören, beschreibt Psychologin Sophia Kiefl als eine Art Allrounder. Sie berät unter anderem Selbstständige zu mentaler Gesundheit und Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Sie hat zur mentalen Belastung von Selbstständigen geforscht.

Sophia Kiefl macht deutlich, wie umfangreich eine Selbstständigkeit sein kann. Zum eigentlichen Job kommen immer auch noch weitere Aufgaben hinzu. Wer zum Beispiel eine Webseite betreut, der muss sich auch um das Design kümmern, Datenschutzverordnungen beachten, Onlinemarketing betreiben und sich gleichzeitig weiterbilden, um auf dem neusten Stand zu sein.

"Ich bin sozusagen alles in einem für mein Unternehmen. Das kann dann schon eine große Herausforderung sein."
Sophia Kiefl, Psychologin, berät Selbstständige und Führungskräfte zu mentaler Gesundheit und Zufriedenheit

Das kann viel sein. Darum kommt es bei einer Selbstständigkeit umso mehr darauf an, gut auf sich zu achten, sagt die Psychologin. Wichtig sei zum Beispiel:

  • Zeiten für Pausen und Erholung einplanen
  • Sich seiner Grenzen bewusst werden und diese anerkennen
  • Erschöpfungsanzeichen ernst nehmen; nicht denken, durchhalten zu müssen
  • Hilfe holen

Der letzte Punkt – das Hilfe holen, wenn es zu viel wird – kann auch schon bedeuten, sich mit Freund*innen darüber auszutauschen, ob sie eine starke Veränderung bei uns beobachtet haben.

"Was ich auch sehr empfehle, ist kein Alleinkämpfertum zu zelebrieren. Man sagt ja: Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen – so ähnlich ist es auch mit der eigenen Geschäftsidee", erklärt Sophia Kiefl. Das bedeutet: Es kann helfen, Aufgaben abzugeben und auf Menschen zuzugehen, die einem als Expert*in mit ihrem Wissen unterstützen können. Letzten Endes geht es darum, sich ein Netzwerk aufzubauen und das zu nutzen. Alles alleine durchziehen zu wollen sei oft weniger erfolgversprechend und nicht gesund.

Wichtig ist auch, sich bewusst zu machen, dass die Selbstständigkeit eine Möglichkeit von vielen ist. Das heißt: Auch wenn wir diesen Weg einschlagen haben, ist es okay, ihn wieder zu verändern, sollte er nicht zu uns passen.

Die Angst zu scheitern

Marco Habschick beobachtet, dass es beim Thema Selbstständigkeit eine große Angst gibt, zu scheitern. Das nimmt er besonders in Deutschland wahr. Marco Habschick arbeitet bei "Gründerplattform". Das ist eine Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums, der KfW-Bankengruppe und dem Start-up Business Pilot. Die Plattform unterstützt bei Gründungen mit kostenlosen Angeboten.

"Scheitern ist nichts Negatives. Du bist danach definitiv schlauer und kommst ein Stückchen weiter in deinem Leben."
Marco Habschick, Stakeholder Management bei der "Gründerplattform"

Er findet, von der Angst zu scheitern, sollten wir uns in gewisser Weise lösen. Oder anders ausgedrückt: Wir sollten dem Scheitern ein neues Image geben. "Wenn du risikoarm in eine Selbstständigkeit reingehst, riskierst du nicht Leib und Leben. Scheitern ist nichts Negatives. Du bist danach schlauer und kommst ein Stückchen weiter in deinem Leben", erklärt er. Entscheidend hierbei ist der Aspekt "risikoarm". Dazu gehört auch, frühzeitig zu erkennen, wenn die Geschäftsidee nicht läuft und dann entsprechend zu handeln.

Die Selbstständigkeit hat sich in den vergangenen Jahren auch verändert. Ein Großteil aller Gründungen passiert mittlerweile im Nebenberuf, sagt Marco Habschick. Es ist also auch möglich, langsam in die Selbstständigkeit einzusteigen und zum Beispiel im Hauptberuf zu bleiben, aber die Stunden zu reduzieren. In der anderen Zeit kann man die Selbstständigkeit nebenbei auf- und stückweise ausbauen.

"Es ist unglaublich viel passiert – sowohl technologisch als auch in unseren sozialen Strukturen – dass ich auf unglaublich vielfältige Art mein eigenes Ding machen kann."
Marco Habschick, Stakeholder Management bei der "Gründerplattform"

Manche Sachen müssen sich eben auch erst mal entwickeln. Das ist auch Binhs Einstellung: "Viele Dinge, die wir heutzutage erleben, wollen wir immer sehr schnell haben. Wir wollen schnell Karriere machen oder Erfolg haben und denken gar nicht darüber nach, wie viel Zeit manche Sachen benötigen, damit sie gut werden."

Im Podcast geht Marco Habschick noch mehr darauf ein, wie niederschwellig es geworden ist, in die Selbstständigkeit einzusteigen, was häufige Fehler sind und was man beim Gründen noch beachten sollte. Klickt dafür oben auf den Play-Button.

Hinweis: Das Bild im Header ist ein Symbolbild und zeigt nicht Binh.

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Shownotes
Arbeit
Sein eigener Chef werden
vom 04. April 2025
Gesprächspartner: 
Binh, hat sich als Fotograf selbstständig gemacht
Gesprächspartnerin: 
Sophia Kiefl, Psychologin, berät Selbstständige und Führungskräfte zu mentaler Gesundheit und Zufriedenheit am Arbeitsplatz, hat zur mentalen Belastung von Selbstständigen geforscht
Gesprächspartner: 
Marco Habschick, Stakeholder Management bei der "Gründerplattform"
Autorin und Host: 
Shalin Rogall
Redaktion: 
Sarah Brendel, Anne Göbel
Produktion: 
Frank Klein