Der Bengalgeier hat ein Problem: In den vergangenen zehn Jahren ist sein Bestand um 99 Prozent zurückgegangen. Er ist massiv vom Aussterben bedroht. Aber es gibt Hoffnung.
Allein in Indien lebten in den 80er Jahren noch etwa 30 Millionen Bengalgeier. Heute sind es nur noch wenige Tausend. Und im benachbarten Nepal wurden 2011 nur noch 43 Tiere gezählt. Die Lage des Bengalgeiers ist also katastrophal.
Dabei könnte es dem Geier eigentlich ganz gut gehen: Er ernährt sich ausschließlich von Aas und fühlt sich in der Nähe von Menschen wohl. Dort kann er sich an verendeten Tieren satt fressen, was er auch jahrzehntelang gemacht hat.
"Benalgeier vertilgen oft solche großen Mengen Aas, dass sie nicht mehr zum Flug abheben können."
Dann kam dem Bengalgeier aber der wissenschaftliche Fortschritt in die Quere, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Biologe Mario Ludwig: das Medikament Diclofenac. Das ist eigentlich ein Schmerzmittel für Menschen. "Aber in Indien oder Nepal wird es auch gerne in der Tiermedizin eingesetzt", sagt Mario Ludwig. "Vor allem bei verletzten Hausrindern."
Das Problem: Was bei uns und den Rindern die Schmerzen lindert, wirkt schon in geringen Mengen wie ein starkes Gift im Körper der Geier. Fressen sie also von einem mit Diclofenac behandelten und dann verendeten Rind, ist das das Todesurteil für den Bengalgeier.
Vor allem in Gegenden, wo viele Hindus leben, ist die Geiersterblichkeit besonders hoch. Hindus dürfen kein Rindfleisch essen. "In diesen Regionen wird ein totes Rind daher gewöhnlich einfach liegengelassen, wo es dann von den Geiern mit samt dem Diclofenac verzehrt wird", sagt Mario Ludwig. Und das hat Folgen.
Geiersterben mit Folgen für den Menschen
Inzwischen gibt es nämlich nicht mehr genügend Bengalgeier, die die Tierkadaver fressen könnten. Das hat das Ökosystem durcheinander gebracht: Die verwesenden Rinderkörper haben streunende Hunde angelockt - die dann Tollwut und Viehseuchen verbreitet haben.
"Durch das Sterben der Geier sind die Tierkadaver an den Straßenrändern liegen geblieben."
Indien, Nepal und Pakistan haben reagiert: Erst haben die Staaten im Jahr 2006 Diclofenac in der Tiermedizin verboten. Dann haben sie eine fette Aufklärungskampagne gestartet, um das Ersatzmedikament Meloxicam zu fördern. Das ist zwar teurer, aber für Geier ungefährlich. Und schließlich werden die Bengalgeier in Aufzuchtstationen nachgezüchtet.
Erfolge mit Geierrestaurants
Sieben Monate werden die Geier trainiert, bevor sie in die freie Natur entlassen werden. Damit sie sich nicht sofort auf den nächsten Kadaver mit Diclofenac stürzen, gibt es Geierrestaurants: Hier werden regelmäßig garantiert diclofenacfreie Kadaver ausgelegt. In Nepal gibt es bereits bescheidene Erfolge: Aus den 43 Geiern sind inzwischen etwas mehr als 100 geworden.