Jeder Mensch hat einen Vornamen. Und unbewusst bewerten wir diesen Namen und die Person dahinter. Das hat mit Zeitgeist zu tun, bringt teils aber auch Nachteile mit sich.
Jedes Jahr werden die beliebtesten Vornamen bekannt gegeben. Im Jahr 2020 hießen besonders viele Kinder zum Beispiel Mia, Noah, Emma, Ella oder Emil. Diese Namen liegen im Trend. Sie sollen neu klingen, freundlich. Und im besten Fall empfinden Mia und Noah das auch so, wie ihre Eltern sich das mal überlegt haben.
Der gute Gedanke kann aber auch nach hinten losgehen. Denn selbst wenn wir von einer Person nichts anderes wissen als den Vornamen, entstehen unterbewusst Eindrücke über sie.
Schon der Klang eines Namens wird interpretiert
Das fängt schon beim Klang an, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Sebastian Sonntag: "Es gibt Worte in so ziemlich allen Sprachen, die so klingen, wie das, was sie sagen wollen." Onomatopoesie nennt sich das.
Ein Beispiel aus dem Englischen: Die Namen Bob und Molly werden als eher rundlich wahrgenommen. Die Vornamen Kirk und Kate eher als abweisend oder unfreundlich. Das hat der Psychologe Davide Sidhu vom University College London herausgefunden. "Ohne dass du irgendwas dafürkannst, hast du schon ein Vorurteil einkassiert, nur weil dein Name so klingt wie er klingt", sagt Sebastian Sonntag.
"Wenn man Amélie, Isabella, Violet, Liana, Juliana, Lilli, Sofia oder Sofie oder Emilia heißt, dann gehen Menschen davon aus, dass man attraktiv ist."
Genau das hat der Onomastiker Thomas Liebecke erforscht. Er hat in einer Umfrage bewerten lassen, wie 2.300 Vornamen auf die Befragten wirken. Sie mussten die Namen in 13 Kategorien einordnen: "vertraut - fremd", "jung - alt", "zurückhaltend - forsch", "nicht intelligent - sehr intelligent" und so weiter.
Vorurteile sind einheitlich
So hat der Wissenschaftler herausgefunden, dass die Sprachgemeinschaft viele Namen ähnlich bewertet: Also wir greifen größtenteils auf die gleichen Vorurteile zurück. Ein Mensch namens Horst wird so also als eher alt wahrgenommen, eine Amelie eher jung.
Das kann auch Absicht sein, bewusst oder unbewusst. Das weiß Gabriele Rodríguez, die als Namensforscherin an der Uni Leipzig arbeitet: "Bei jeder Namenswahl steckt ein Motiv und eine Geschichte dahinter. Es ist so, dass Eltern oft ihre eigenen Wünsche über den Namen den Kinder mitgeben."
Durch die Namenswahl können Nachteile entstehen
Wählt man zum Beispiel einen Namen mit griechischen Wurzeln oder lateinischen, dann bekommt er häufig das Attribut intelligent zugeschrieben. Eine andere Studie hat bestätigt, dass Lehrerinnen und Lehrer Kinder, die Sophie oder Alexander heißen, tendenziell für intelligenter halten als Chantal und Kevin. Durch die Namenswahl können also Nachteile entstehen.
"Das hat häufig auch mit Zeitgeist zu tun", sagt Sebastian Sonntag. Vor ein paar Jahrzehnten war Kevin noch ein exklusiver Name, spätestens mit dem Kinofilm "Kevin allein zu Haus" gab es allerdings eine Schwemme von Kevins. Heutzutage sind es eher die Jons und Aryas, die Dank "Game of Thrones" sehr beliebt sind – in 20 Jahren kann das wieder ganz anders aussehen.
Welche Vornamen übrigens generell laut Liebecke-Umfrage verloren haben, sind türkische. Da wurde kein einziger mit dem Attribut "intelligent" oder "reich" versehen. Sebastian Sonntag: "Das sagt auch was aus über unsere Sprachgemeinschaft."