Wenn Menschen mit Behinderung auf Partys gehen, stoßen sie auf viele Herausforderungen. Manche sind baulich, andere eher zwischenmenschlich.
Friedericke ist 26 Jahre alt. Sie trägt ein schwarzes, kurzes Sommerkleid und hat die blonden Haare nach hinten zu einem Zopf gebunden. Sie will feiern gehen. In Berlin. Im Rollstuhl. Das geht mal mehr, mal weniger gut, denn längst nicht alle Clubs sind barrierefrei.
Toiletten sind meist die größte Barriere beim Feiern
In Friederickes Stammclub, dem Nuke, läuft Gothic und Metal. Um alle drei Floors zu erreichen, gibt es Treppen, aber auch einen Fahrstuhl. An diesem Abend erfährt Friedericke, dass der Club eine Behindertentoilette hat - was sie vorher gar nicht wusste. Und das ändert vieles. Denn normalerweise wartet Friedericke bis zum Ende des Abends, bis sie das erste Getränk ordert.
"Planung ist alles. Ich fange erst spät an, etwas zu trinken und gehe meist gar nicht aufs Klo."
Natürlich könnte Friedericke auch ihre Freunde fragen, ob sie ihr helfen, wenn sie zur Toilette möchte. Aber das ist jedes Mal ein riesen Akt - und für Friedericke schlichtweg unangenehm, da sie es aus ihrem Alltag gewöhnt ist, selbstständig zu agieren.
Positive Diskriminierung von Menschen mit Behinderung ist auch Mist
Marlen geht auch gerne in Berlin feiern. Am liebsten in einem queeren Club in Friedrichshain. Dort gibt es barrierefreie Toiletten, aber die muss sich sich jedes mal vom Personal aufschließen lassen. Sie sagt, dass sie es als selbstständiger Mensch nervig findet, regelmäßig um Hilfe zu bitten.
"Man geht ja feiern, um auch mal ein bisschen was zu trinken, und da alle anderthalb bis zwei Stunden zu sagen: 'Kannst du nochmal die Tür aufschließen', ist halt auch ein bisschen blöd."
Toiletten sind das eine Problem, auf das Menschen mit Behinderung immer wieder treffen, ein anderes Problem spielt sich eher auf zwischenmenschlicher Eben ab. Das betrifft beispielsweise Fragen: Wie läuft es an der Tür? Oder: Wie reagieren die anderen Partygäste auf Menschen mit Behinderung?
Keinen Bock auf die Mitleidsnummer
Im Rollstuhl erlebt Marlen oft positive Diskriminierung. Beispielsweise wenn vor dem Club eine Schlange ist und sie dann vorgelassen wird - in der Regel so, dass es auch wirklich JEDER mitbekommt. Dann hört Marlen um sich herum oft Sätze wie: "Geht mal ein Stück weg, lasst sie durch."
"Nur weil ich einen Rollstuhl habe, heißt das nicht, dass ich bevorzugt werden muss. Das ist halt diese Mitleidsnummer oft."
Ein anderer zwischenmenschlicher Fail ergibt sich im Laufe des Abends in der Regel mit gestiegenem Alkoholpegel. Wenn Marlen dann nämlich auf der Tanzfläche ist und andere Leute sich zu ihr runterbeugen um ihr zu sagen, wie toll sie das finden, dass sie feiern geht.
"Wenn der ein oder die andere ein bisschen viel getrunken hat, kommen sie halt zu mir und sagen: Wow, wie toll, Respekt, dass ich mich im Rollstuhl in die Öffentlichkeit traue, um Spaß am Leben zu haben."
Unterdessen bestellt sich Friedericke in ihrem Stammclub den ersten Drink. Sie ist total glücklich über die Info, dass es hier eine Behindertentoilette gibt. Eine Barriere weniger - ein Pluspunkt in Sachen Freiheit und Selbstbestimmung.
Dass die Frage ob und wie leicht Menschen mit Behinderung Zugang zu barrierefreien Toiletten haben, wenn sie abends feiern gehen, ist beinahe beschämend. Aber sie stellt sich. Immer. In Berlin gilt zwar jeder fünfte Club als barrierefrei, das bedeutet aber nicht, dass sich Rollstuhlfahrer dort frei bewegen können, auch wenn das Behindertengleichstellungsgesetz das so vorsieht.
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