Jeden Monat zusätzlich 1.200 Euro aufs Konto bekommen – für viele klingt das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) nach einem ansprechenden Konzept. Eine dreijährige Langzeitstudie hat in Deutschland nun erstmals untersucht, wie das Geld seine Empfänger verändert.
Die meisten von uns bekommen die wirtschaftliche Flaute, die Inflation und das Ansteigen der Lebenshaltungskosten deutlich zu spüren. Manch einer arbeitet in mehreren Jobs, um über die Runden zu kommen oder Kredite abbezahlen zu können. Die Mieten sind in den Städten oft sehr hoch. Wer zudem noch Angehörige versorgen muss, hat es finanziell meist schwer.
BGE: Mehr Freiheit für den Einzelnen?
Manche wünschen sich eine Auszeit vom stressigen Arbeitsalltag oder würden sich gerne ihren Lebenstraum verwirklichen – zum Beispiel ein Café oder ein Geschäft eröffnen – trauen sich aber nicht, die finanzielle Sicherheit ihres aktuellen Jobs durch eine Kündigung zu riskieren.
" Eins ist jetzt schon klar: Wir werden über das Grundeinkommen nie wieder so diskutieren wie vorher."
Was würde es für diese Menschen bedeuten, wenn sie sich keine Sorge mehr um ihre Grundversorgung machen müssten? Es ist anzunehmen, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen dem einen oder der anderen bestimmte Entscheidungen erleichtern und auch eine gewisse Entlastung bringen könnte.
"Nach Angaben der Studienautoren ist es die größte zivilgesellschaftlich initiierte Studie zum Bedingungslosen Grundeinkommen weltweit."
Aber besteht nicht die Gefahr, dass ein BGE auch negative Folgen für den Einzelnen – und als Konsequenz auch für die gesamte Gesellschaft – hat? Dass wir zum Beispiel unmotivierter sind, nicht mehr arbeiten wollen und einen geringeren Beitrag für das Gemeinwohl leisten?
Der Verein "Mein Grundeinkommen" hat jetzt eine Langzeitstudie vorgestellt, in der untersucht wurde, wie es sich auf Einzelne auswirkt, wenn sie monatlich ein Bedingungsloses Grundeinkommen in Höhe von 1.200 Euro erhalten.
107 Menschen – drei Jahre lang von Forschenden begleitet
Erstmalig wurden in Deutschland 107 Menschen, die diesen monatlichen Betrag erhalten, über einen Zeitraum von drei Jahren von Forschenden eng begleitet und befragt. Die Wissenschaftler*innen kamen aus unterschiedlichen Bereichen wie zum Beispiel aus der Ökonomie, der Mikroökonomie und der Psychologie. Laut der Studienautor*innen war das nicht nur die größte zivilgesellschaftliche Studie zum Bedingungslosen Grundeinkommen in Deutschland, sondern auch weltweit.
Die Erkenntnisse
Nach drei Jahren hat der Verein "Mein Grundeinkommen" nun gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung auf einer Pressekonferenz die Ergebnisse präsentiert. Einige der wichtigsten Erkenntnisse:
- Teilnehmende, die das BGE erhalten, arbeiten durchschnittlich nicht weniger – rund 40 Stunden pro Woche.
- Wer das BGE bezieht, verbringt in seiner Freizeit mehr Zeit in Gesellschaft, etwa mit Freunden. Teilnehmende waren also "prosozialer", wie es in der Fachsprache heißt.
- BGE-Bezieher*innen sind messbar zufriedener beziehungsweise glücklicher, sagt die Studie. Und das auch noch sechs Monate nach dem Experiment.
Allerdings gibt es auch Kritik an der Studie: "Die Studie ist zu klein, zu selektiv und wenig aussagekräftig", schreibt etwa das Deutsche Institut für Wirtschaft in Köln.
"Die Forschenden sind vom Verein 'Mein Grundeinkommen' nicht bezahlt worden. Sie wussten nicht, was hinterher als Ergebnis rauskommt."
Die Debatte über das Bedingungslose Grundeinkommen geht auch immer mit der Diskussion über ein bestimmtes Menschenbild einher, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Stephan Beuting – nämlich mit der Frage, ob Menschen intrinsisch oder extrinsisch motiviert sind, also ob wir unsere Motivation aus uns selbst heraus ziehen oder ob wir von äußeren Faktoren motiviert sind.
BGE erhöht intrinsische Motivation
Die Erkenntnis, die die Forschenden aus der BGE-Langzeitstudie gezogen haben, lautet: Wir sind eher aus uns selbst heraus motiviert, Dinge zu tun, wenn wir beispielsweise durch den finanziellen Rahmen eines Grundeinkommens die Möglichkeit haben, unsere Wünsche umzusetzen.
Moralischer Konflikt und Neiddebatte
Eine gesellschaftliche Debatte um das BGE kann aber auch eine moralische Wendung bekommen, hat die Psychologin Susann Fiedler unserem Reporter erklärt. Denn wenn jemand ein BGE zugesprochen bekommt, wird schnell von anderen infrage gestellt, ob diese Person das überhaupt verdient hat.
Dass wir anderen diese finanzielle Ressource nicht gönnen, mag auf eine Art Neid zurückgehen: Warum die und nicht ich? Ob wir solche Gedanken haben, darauf kann sich jede*r von uns selbst testen, die oder der das Konzept von vorneherein ablehnt, empfiehlt die Psychologin Susann Fiedler.