Ein Nebenprodukt von Kohlekraftwerken ist der wichtige Baustoff Gips. Wenn die Kraftwerke schließen, muss der Gips woanders her kommen. Aber woher? Gute Ideen sind noch Mangelware.
Gips ist einer der wichtigsten Baustoffe. Er ist klimafreundlich, leicht und brandsicher. Er wird für Wände, Estriche und als Putz verbaut. Der Bedarf der Baubranche liegt bei zehn Millionen Tonnen pro Jahr.
Um diesen Bedarf zu decken, nutzt die Bauindustrie vorwiegend REA-Gips, ein Nebenprodukt, das bei der Verbrennung von Kohle entsteht.
REA-Gips identisch mit Naturgips
Um Abgase nicht über die Schornsteine in die Atmosphäre zu leiten, wird dem entstehenden Schwefeloxid Kalkstein beigefügt. Wenn die Stoffe chemisch mit einander reagieren, entsteht dabei REA-Gips. Dieser künstlich entstandene Gips ist chemisch gesehen identisch mit Naturgips.
REA steht für Rauchgas-Entschwefelungs-Anlagen, also den Anlagen, in denen dieser Prozess umgesetzt wird.
"Um die Abgase noch im Kohlekraftwerk zu binden, damit die nicht aus dem Schornstein rauskommen, gibt es so genannte Rauchgas-Entschwefelungs-Anlagen."
Holger Ortleb, Geschäftsführer des Bundesverbandes für Gipsindustrie, geht in den kommenden Jahren von einem steigenden Bedarf an Gips aus.
Wenn mehr und mehr Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, wird vermutlich mehr Naturgips abgebaut: Ein Ansatz, der von Umweltschützern kritisch gesehen wird. Zum einen müssten dadurch ziemlich einzigartige Gipskarst-Landschaften wie zum Beispiel im Südharz zum Teil zerstört werden.
Zum anderen wäre das auch ein Eingriff in den Lebensraum von teils seltenen Pflanzen und Tieren, wie zum Beispiel dem Feuersalamander, der Gelbbauch-Unke und der Geburtshelferkröte.
Bauingenieure: Abbau könnte Vielfalt fördern
Der Ring Deutscher Bergingenieure ist da anderer Meinung: Er glaubt, dass solche Steinbrüche die biologische Vielfalt fördern können.
Der Umweltverband Bund ist komplett dagegen - und fordert, dass bis 2045 in Deutschland gar kein Naturgips mehr abgebaut werden solle.
Durch ein Verbot, Naturgips in Deutschland abzubauen, verlagere man das Problem eher ins Ausland, weil der Gips dann dort gewonnen würde, sagt Ariane Ruff, die an der Hochschule Nordhausen auf dem Gebiet Gips und Gips-Recycling forscht.
Idee: Gips recyceln
Im Bereich des Gips-Recyclings gibt es mehrere Forschungsprojekte. Denn theoretisch ist Gips unendlich recycelbar, und das sogar ohne Qualitätsverlust. Praktisch ist in Deutschland aktuell so, dass kaum Gips recycelt wird.
Einerseits liegt das daran, dass Gips oft mit anderen Materialien und Zusätzen gemischt wird und es nicht so einfach ist, das wieder zu trennen.
Zum anderen liegt es an den Kosten: Denn Bauschutt aus Gips zu deponieren oder ihn ins Ausland zu exportieren, ist zurzeit noch günstiger als den Baustoff zu recyceln. Das ließe sich ändern, indem man die Rechtsgrundlagen verändere, sagt die Wissenschaftlerin.
Recyclinganlagen für Gipskartonplatten gibt es beispielsweise schon, die sind aber nicht ausgelastet, sagt Ariane Ruff.
Gips durch andere Materialien ersetzen
Neben Recycling gibt es auch Überlegungen, Gips durch andere Materialien zu ersetzen - das ist allerdings noch schwierig.
Einig sind sich der Bundesverband für Gipsindustrie und die Forscherin Ariane Ruff in einem Punkt: Naturgips sollte in Zukunft auf keinen Fall komplett den REA-Gips aus den Kohlekraftwerken ersetzen.
Allerdings werde es in den nächsten Jahren - zumindest vorübergehend - mehr Naturgips abgebaut werden müssen als bisher, weil es noch keine andere effiziente Möglichkeit gibt.