"Hört nicht auf das Gequatsche anderer!", sagt Musiker Perry Walczok. Er ist Musiker und sitzt im Rollstuhl. Für seine Leidenschaft musste er hart und lange kämpfen. Heute ermutigt er alle anderen Menschen mit Behinderung, sich musikalisch zu entfalten – gegen alle Widerstände und Vorurteile von außen.
"Du kannst das nicht", "das ist viel zu schwer für dich" – solche Sätze hat der Musiker Perry Walczok früher oft gehört. Perry sitzt seit einigen Jahren im Rollstuhl, da ein frühkindlicher Hirnschaden bei ihm eine Zerebralparese ausgelöst hat. Vom Musikmachen hat ihn seine Behinderung aber nicht abgehalten.
Der Weg dahin war jedoch sehr lang und steinig. Seine Eltern hatten für seine Leidenschaft kein Verständnis, erzählt er und haben ihn dazu gedrängt, seine Instrumente wieder zu verkaufen. Heute macht er mit 50 Jahren als DJ Kermit Musik und ist stolz auf sich, nie aufgegeben zu haben.
"Lebt euren Traum. Macht was ihr wollt. Hört nicht auf das Gequatsche Anderer. Zieht euer Ding durch und Let's Go, Rock'n'Roll, Jetzt erst Recht!"
So wie es Perry damals ging, dürfte es vielen Menschen mit Behinderung gehen. Was vor allem fehlt, sei der Glaube an sich selbst, ein Instrument spielen zu können, sagt Robert Wagner, Leiter des Lehrgangs BLIMBAM vom Verband deutscher Musikerschulen.
"Es ist immer noch so, dass dieser Glaube, selbst unmusikalisch zu sein, völlig eingepflanzt ist. Und das ist ja der größte Verhinderer von Teilhabe."
Robert Wagners Lehrgang bildet seit 40 Jahren Musiklehrerinnen und Musiklehrer im Umgang mit beeinträchtigten Schülerinnern und Schülern aus.
Barrierefreiheit an deutschen Musikschulen
An deutschen Musikschulen sind Schüler mit Behinderung laut dem Verband deutscher Musikschulen noch stark unterrepräsentiert. Statistisch gesehen müsste es zehn Mal so viele Musikerinnen mit Behinderung in der Ausbildung geben. Das versucht der Lehrgang BLIMBAM von Robert Wagner zu ändern, in dem er vor allem individuell auf die Menschen eingeht und sie dort abholt, wo sie gerade stehen.
Es soll darum gehen, nicht danach zu suchen, was nicht geht, sondern zu erkennen, wo die Stärken der Menschen liegen. Gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern arbeite man heraus, wie sie sich beispielsweise selbstbewusst in eine Band integrieren könnten und sich selbst als wertvolles Bandmitglied sehen könnten.
Der individuelle Ansatz als Erfolgskonzept
Und auch Perry Walczok arbeitet zusammen mit der Musikschule Musicus e.V. in Bielefeld, die sich auf Unterricht für Menschen mit Behinderung spezialisiert hat, weiter an seinem Selbstbewusstsein. Da die Lehrerinnen und Lehrer an dieser Schule alle unterschiedliche Schwerpunkte haben, können sie gezielt auf bestimmte Probleme wie Konzentrations- oder Bewegungseinschränkungen eingehen.
Perry lernt hier vor allem den Umgang mit seinem Keyboard und seinem Schnittprogramm. Für ihn sei der Unterricht wie eine Art Therapie, bei der er abschalten und sich nur auf die Musik konzentrieren könne.
"Für mich ist es auch ein Stück Therapie – gerade was die Fingerbeweglichkeit angeht, aber auch von der psychologischen Seite. Ich kann mich dabei auch entspannen und vor allem abschalten."
Instrumente barrierefrei anpassen
Mit mehr Selbstbewusstsein und auch Individualität an die Sache ranzugehen hat auch Janina Wisniewski geholfen. Sie ist 26 Jahre alt und war als Kind halbseitig stark bewegungseingeschränkt. Mit viel Training und Willenskraft hat sie ihre Beweglichkeit in den letzten Jahren immer weiter verbessern können, erzählt sie.
"Ich war immer körperlich eingeschränkt und ich fühlte mich eben auch so – das hat sich mit 21 dann verändert."
Dabei geholfen hat ihr auch ein besonderes Instrument: Sie erinnert sich beispielsweise aus ihrem früheren Musikunterricht an eine Blockflöte, die so konzipiert wurde, dass man sie mit einer Hand spielen kann. Anstatt von Löchern sind drei Klappen angebracht, die ein einseitiges Spielen ermöglichen.
Heute macht sie mit ihrem Blog "Wie behindert bist du eigentlich?" anderen Menschen Mut und gibt Tipps, wie sie am besten mit ihren Einschränkungen umgehen können.
Janina und Perry haben ihren Weg zur Musik also gefunden. Doch trotz der Angebote von Roland Wagner oder der Musikschule Musicus e.V. in Bielefeld gibt es immer noch Hürden für Menschen mit Behinderung – sichtbare Hürden wie beispielsweise fehlende rollstuhlgerechte Wege und unsichtbare Hürden wie zu wenig staatliche Hilfen, um eine musikalische Ausbildung finanzieren zu können.