Vor drei Jahren sind 1136 Menschen beim Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch getötet worden. Hat sich seitdem etwas an der Situation für die Näherinnen und Arbeiter verändert?
Europäische und US-amerikanische Textilunternehmen lassen in Bangladesch produzieren. Mehr als vier Millionen Menschen sind von der dortigen Textilindustrie abhängig. Die Lohnkosten sind niedrig. Davon profitieren nicht nur ausländischen Auftraggeber, sondern auch heimische Fabrikbesitzer. Diese hatten weder in die Sicherheit der Gebäude noch ihrer Arbeiter investiert und auf deren Kosten ihren Gewinn maximiert.
Schlupflöcher für schwarze Schafe
Nach dem Unglück am 24. April 2013 versprachen die Textilunternehmen, dass sie sich für eine Verbesserung in den Fabriken einsetzen würden. Die Regierung in Dhaka hat ein neues Arbeitsgesetz mit schärferen Auflagen für mehr Arbeitssicherheit in den Fabriken erlassen. Vor allem wird die Einhaltung dieser Sicherheitsauflagen schärfer kontrolliert, die Arbeiter können sich bei einer Hotline anonym beschweren, falls ihre Chefs dagegen verstoßen.
"Mittlerweile sind mehr als 3500 der etwa 5000 offiziellen Fabriken kontrolliert worden, 38 wurden geschlossen."
Nach Streiks der Textilarbeiter hob die Regierung auch den Mindestlohn in der Branche an, der jetzt doppelt so hoch ist und bei umgerechnet rund 60 Euro im Monat liegt. Unsere Reporterin Nina Bust-Bartels hat mit Näherinnen in Dhaka gesprochen. Sie erzählt, dass die Lebenshaltungskosten in Dhaka, wo die Textilfabriken stehen, sehr hoch sind. Deshalb müssten die Arbeiterinnen ihre Kinder bei den Großeltern auf dem Land zurücklassen und könnten sie nur selten sehen.
Global Player stehlen sich aus der Verantwortung
Die gestiegenen Kosten für mehr Arbeitssicherheit, Brandschutzmaßnahmen und Löhne wirke sich zwar auf die Produktionskosten aus, aber diese würden von den ausländischen Auftraggeber nicht finanziert, erklärt Nina. Fabrikbesitzern, die die höheren Kosten nicht tragen könnten, helfe jetzt der Staat mit zinslosen Darlehen.
"Die neuen Regeln haben die Profitspanne für die Fabrikbesitzer in Bangladesch verringert. Die Klamotten-Unternehmen aus Europa und den USA zahlen gar nicht mehr."
Überhaupt sei Bangladesch in der Produktion immer noch günstiger als China, Indien oder die Türkei. Die Fabriken in Dhaka haben sich vor allem auf gering-qualifizierte Näharbeit spezialisiert. Konkurrenz könnte aus Äthiopien kommen, meint Nina. Dort entsteht gerade eine Textilindustrie, in der die Löhne noch sehr viel niedriger liegen.
Damit Arbeiterinnen und Arbeiter in der Lohnspirale nach unten nicht gegeneinander ausgespielt werden könnten, müssten internationale Vereinbarungen greifen. Beispielsweise haben die Vereinten Nationen "Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte" verabschiedet. Deren Umsetzung hängt aber von den einzelnen Staaten ab. Deutschland arbeite gerade daran, diese Vereinbarungen in nationales Recht umzusetzen, sagt Nina.
Ninas Recherchereise wurde von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen organisiert.
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