Im Wald haben viele Bäume einen Mitbewohner: Flechten. Die wachsen in graublauer oder grüner Farbe auf der Rinde der Bäume. In der Stadt war das lange nicht so - wegen der Luftverschmutzung. Doch das ändert sich gerade. Im Interview erklärt Ute Windisch, warum das Flechtenwachstum in Städten ein Indikator für bessere Luft ist.
Ute Windisch ist Professorin an der Technischen Hochschule Mittelhessen und sie forscht seit Jahrzehnten an Flechten. Sie erklärt, dass Flechten extrem empfindlich auf Luftverschmutzung reagieren. "Wenn die Luft zu schlecht ist, sterben die Flechten ab." Und genau das, war 100 Jahre lang der Fall. Ute Windisch nennt diese Zeit die "Flechtenwüste", das fing mit der Industrialisierung in der Mitte des 19. Jahrhunderts an und hat erst langsam seit den 1970er Jahren wieder aufgehört.
"Rund 100 Jahre lang hatten wir keine Flechten in den Städten. Die Botaniker nennen das die Flechtenwüste."
Flechten sind keine Schmarotzer
Dass die Flechten sich jetzt wieder ihren Platz auf Bäumen und Sträuchern zurückerobern, sei ein gutes Zeichen. Es zeige, dass die Luft in den Städten in den letzten Jahrzehnten besser geworden ist - und das trotz hoher Feinstaubbelastung und Dieselskandal. Ute Windisch hat dafür eine einfache Erklärung: "Wir haben zum Glück nie erleben müssen, wie die Luft zur Zeit der Industriellen Revolution war. Damals sind Menschen wegen der Luftverschmutzung gestorben. Es gab keine Abgasreinigung und es kam zu Smogereignissen, die ganz anders waren als heute."
"Zum Glück haben wir nie erleben müssen, wie die Luft zur Zeit der Industriellen Revolution war. Und danach, wo Menschen durch die Luftverschmutzung gestorben sind."
Es ist und bleibt also ein gutes Zeichen, wenn heute wieder Flechten auf den Bäumen in der Stadt wachsen. Und Ute Windisch räumt damit auch direkt ein Vorurteil aus dem Weg: Flechten sind ein Zeichen dafür, dass es dem Baum gut geht - und nicht für das Gegenteil. "Sie sind keine Schmarotzer und schaden den Bäumen und Sträuchern überhaupt nicht."
Die Luft in unseren Städten könnte noch besser sein
Es gibt sehr viele unterschiedliche Wuchsformen und Farben bei Flechten. Manche hängen wie Bärte an Ästen, andere sehen krusten- oder trompetenförmig oder blättrig aus. Und auch die Farbenvielfalt ist sehr groß: von gelb über grün bis hin zu braun und grau.
Ute Windisch räumt aber auch ein, dass die Luft in unseren Städten trotzdem noch besser sein könnte - Flechten hin oder her. "Aber wir haben natürlich Probleme mit Feinstaub oder mit düngenden Faktoren. So geben Automotoren Ammoniak ab, der reichert sich in der Luft an."
Die Nutzung von Flechten
Bei uns dienen die Flechten hauptsächlich als Indikatoren, zum Beispiel für die Luftqualität. In Skandinavien, wo sie häufiger auftreten, nutzt man Flechten auch als Tierfutter für Rentiere oder zur Herstellung von Medikamenten.