Der Messie unter den Wissenschaften ist die Archäologie. Denn während andere Fachrichtungen sich von Unwichtigem trennen, sammelt die Archäologie einfach alles endlos weiter. Alles von einer Grabung zum Beispiel landet genau so im Museum. Und hier bleibt dann ebenfalls alles von allem vorhanden. Einige Archäologen raten daher zum "Entsammeln", denn nicht jeder archäologische Fund sei Erkenntnis bringend.
Wozu also das ganze Zeug aufheben? Die Forschung könne sich auch direkt davon trennen meint Archäologieprofessor Raimund Karl. Oder besser noch: gar nicht alles mitnehmen und schon in der Grabung entscheiden.
"Wenn der Archäologe, der in Ägypten gräbt, nicht schon von vorneherein weiß, ob diese Scherbe wichtig ist, dann hat er im Studium was falsch gemacht."
Karl bezweifelt, dass es Sinn macht, die Millionen von Scherben, die den Archäologen eigentlich nichts sagen, in Lagerhallen zu stecken, die klimatisiert und betreut werden müssen. Denn schließlich koste das alles Geld. Sein Rat ist: Besser, wir werden das alles direkt los.
Wer zwanghaft hortet, ist ein Messie
Die vielen Fundstücke, die die Archive nur zustellen, wären nach Raimund Karls Sicht in Schulen viel besser aufgehoben. Damit Schüler im Geschichtsunterricht auch mal was in der Hand halten können. Auch die Idee, alte Scherben zu verkaufen, findet er gar nicht so abwegig. "Es gibt zahlreiche Leute, die sammeln. Warum soll man denen nicht ordentlich dokumentierte Stücke anbieten, statt Zeugs aus Raubgrabungen, wie sie sie bisher kaufen." Seinen Kollegen, die sich von all dem alten Zeug nicht trennen können, wirft er Messietum vor.
"Psychologen haben das als soziale Verhaltensstörung definiert. Das nennt man zwanghaftes Horten. Diese Angst, irgendetwas herzugeben, weil man es in der Zukunft vielleicht ja noch brauchen könnte."
Für seine Branche wünscht er sich einen stärkeren Austausch zwischen Museen und Archäologen an den Ausgrabungsstätten. Die Fachkräfte in den Museen wüssten einfach selbst am besten, was sie im Bestand haben, was in der Sammlung fehlt und wovon sie mehr als genug haben. Die Haltung, dass man die Fundstücke vielleicht in ein paar Jahren mit neuen Forschungsmethoden noch einmal gebrauchen könnte, nennt er zwanghaftes Horten. Wobei er betont: Das sei kein Vorwurf, sondern eine Diagnose.