Die AfD wird vom Verfassungsschutz beobachtet, gleichzeitig gründen ehemalige AfD-Mitglieder wie André Poggenburg neue rechte Parteien. Wie einflussreich solche Parteien werden können, und was das für die AfD oder etablierte konservative Parteien bedeutet, erklärt der Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky.
"Aufbruch deutscher Patrioten" nennt sich die rechte Abspaltung der im politischen Spektrum weit rechts stehenden AfD in Sachsen-Anhalt. Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg spricht von einer radikalen Splittergruppe, die sich selbstständig gemacht hat. Ihr Gründer André Poggenburg war AfD-Fraktionsvorsitzender in Sachsen-Anhalt und will mit der Parteigründung Gleichgesinnte ansprechen – er selbst war im Januar aufgrund von umstrittenen Aussagen auf Twitter für zwei Jahre von allen Ämtern in der AfD ausgeschlossen worden. Kurz darauf trat er aus der AfD aus. Bereits im März 2018 musste André Poggenburg nach rassistischen Reden als Partei- und Fraktionschef der AfD in Sachsen-Anhalt zurücktreten.
Die Partei sei stark an die Person André Poggenburg gebunden, sagt Marcel Lewandowsky. Mit ihr versuche er sich im politischen Geschäft zu positionieren. Allerdings dürfe die Zugkraft von André Poggenburg nicht überschätzt werden.
"Er ist nicht diese charismatische, auch innerhalb des rechten Spektrums doch so stark wirkende Persönlichkeit, wie das beispielsweise ein Björn Höcke ist."
Aktuell ist es schwer zu sagen, wen die Partei erreicht, da die entsprechenden Daten noch fehlen. Aber da die AfD in Sachsen-Anhalt auch eine rechte Position in Hinblick auf die Gesamtpartei einnehme, schöpfe diese schon ein großes Wählerpotenzial bis weit an den rechten Rand in Sachsen-Anhalt ab, sagt Marcel Lewandowsky. Er glaubt, dass das Potenzial dieser neuen Partei aktuell relativ gering sei, da sie nur eine relativ kleine Nische besetzen kann.
Immer wieder gründen Ex-AfD-Mitglieder neue Parteien
Die neue rechte Partei von André Poggenburg ist nicht die erste Parteigründung eines ehemaligen AfD-Mitglieds: Bernd Lucke hatte vor ein paar Jahren bereits ALFA, Allianz für Fortschritt und Aufbruch gegründet. Später wurde die Partei in LKR, Liberal-Konservative-Reformer umbenannt. Auch Frauke Petry gründete nach ihrem Austritt aus der AfD Die blaue Partei. In Sachsen lägen Umfragewerte der Blauen "gerade über dem Wahrnehmbarkeitsbereich", sagt Marcel Lewandowsky. Bisher hätten solche Neugründungen und Abspaltungen der AfD nicht geschadet. Es könne auch nicht von einer großen Spaltung der Partei gesprochen werden – eher von einem Selbstständig-Machen relativ kleiner Fraktionen.
"Zunächst einmal würde ich doch sehen, dass man da gar nicht von einer großen Spaltung der Partei sprechen sollte, sondern von einem Selbstständig-Machen relativ kleiner Fraktionen innerhalb der AfD, sodass im Grunde genommen da keine wirkliche Gefahr an der Wählerurne – so meine jetzige Einschätzung – ausgeht."
Aktuell diskutiert die AfD intern durch die angekündigte Prüfung und Überwachung durch den Verfassungsschutz auch, wie radikal sie sein kann. Theoretisch wäre es auch möglich, dass kleinere, radikale Parteien der AfD letztendlich helfen könnten, ein rechteres bürgerliches Profil zu etablieren, so Marcel Lewandowsky.
CDU und CSU müssen sich für eine Strategie entscheiden
Vom ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß stammt die Aussage "Rechts von der CDU/CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben". Es gibt sie aber: die AfD. Laut Marcel Lewandowsky stellt sich für die Christdemokraten daher die Frage, welche Strategie sie in diesem Zusammenhang verfolgen wollen – eine vermeintlich liberale Merkel-Linie oder eine konservativere Haltung. Durch die liberale Haltung, die durch Merkel etabliert wurde, hätten CDU und CSU gemäßigte bürgerliche Wählerinnen und Wähler erreicht, die sie nicht verlieren wollen, sagt Marcel Lewandowsky.
"Was man nicht vergessen darf, ist, dass ein Sich-Angleichen an die Strategien der politischen Rechten, die politische Rechte legitimiert, und die rechten Parteien das als Erfolg verbuchen können."
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