Wenn ein Mensch gewalttätig wird, was geht dann eigentlich in ihm oder ihr vor? Maximilian Pollux erklärt, dass sich Täter, wie er einer war, ständig in einem Kriegszustand mit der Umwelt befinden. Die Forschung zeigt, dass Gewaltbreitschaft steigt, wenn sich bestimmte Risikofaktoren in einer Person kumulieren, sagt Frederik Tetzlaff von der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention.
Ein falscher Blick in der U-Bahn, ein schneller Wortwechsel und eine Schlägerei kann im Gang sein. Aber warum ist das so? Über 550.000 Fälle von Körperverletzung zählt die Polizeistatistik im letzten Jahr.
Maximilian Pollux tauchte früher selbst in solchen Statistiken auf. Er wurde gewalttätig. Inzwischen ist er Trainer für Gewaltprävention und hilft mit seinem Verein Sichtwaisen Jugendlichen, sich selbst wertzuschätzen.
Gewaltbereitschaft als Gefahrenzustand
Maximilian erklärt, dass für Menschen, die häufig zuschlagen, die Grenzüberschreitung einer Gewalttat oft gar nicht mehr so spürbar ist. Aus seiner Sicht befinden sich Täter immer, wenn sie nach draußen gehen, in einer Art Gefahrenzustand.
"Die ganze Grundsituation ist für den Täter unglaublich anstrengend, weil er sich ständig in einem Kriegszustand mit seiner Umwelt befindet."
Befindet sich dieser Mensch draußen, dann habe er das Gefühl, permanent in einem Kriegszustand zu sein. Laut Maximilian ist das ein Resultat von Unsicherheit und mangelndem Selbstwertgefühl.
Faktoren für Gewaltbereitschaft
Frederik Tetzlaff ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention. Er erklärt, dass viele verschiedene Risikofaktoren zusammenkommen müssen, damit eine Person gewalttätig wird.
Grundlegend sei wissenschaftliche bewiesen, dass in der Regel mehrere Punkte im sozialen Bereich nicht in Ordnung sein müssen, damit ein Täter zum Täter wird – meist geht es dabei um Familie, Freund*innen, Schule und nachbarschaftliches Umfeld.
"Mir ist selbst noch kein Täter über den Weg gelaufen, der nicht selbst auch Opfer war."
Maximilians Beobachtung unterstützt das. Er sagt, er habe noch nie einen Täter oder eine Täterin erlebt, der oder sie nicht selbst zuvor Opfer geworden ist. Eine charakterliche Vorbestimmung sei nur ein kleiner Teil der Risikofaktoren. Eher lernten Täter*innen, dass Gewalt das natürliche Mittel zum Zweck ist.
Außerdem könne Gewalt auch durch gesellschaftliche Normen gefördert werden, sagt Frederik Tetzlaff. So tauchten junge Männer zwischen 14 und 22 Jahren am häufigsten als Gewalttäter auf. Der Grund laut dem Erziehungswissenschaftler: Die jungen Männer würden häufig so sozialisiert, dass sie sich etwa Gehör verschaffen müssen oder Frauen verteidigen sollen, und vieles mehr.
"Gewalt im Jugendalter gehört mit zum Erwachsenwerden dazu. Das ist genau der Zeitpunkt, wo aber auch Grenzen spürbar sein müssen."
Gewalt ereigne sich zudem im Prozess des Erwachsenwerdens häufig in Verbindung damit, Grenzen auszutesten. Diese jugendlichen Täter seien in den meisten Fällen ausschließlich in dieser Lebensphase gewalttätig – wenn sie denn wirklich Grenzen und Konsequenzen zu spüren bekommen.
Gewaltprävention
Am besten ist es, so Frederik Tetzlaff, schon so früh wie möglich im Kindes- und Jugendalter damit anzufangen, Empathie zu schulen und bei der Entwicklung alternativer Lösungsstrategien zu helfen. Deshalb fördert seine Stiftung Präventionsarbeit, die in der Kita ansetzt.
Sowohl Maximilian Pollux als auch Frederik Tetzlaff betonen, dass es sehr wichtig sei, dass Menschen generell, aber besonders Jugendliche, Anerkennung für das bekommen, was sie tun. Sobald sie sich von der Gesellschaft wertgeschätzt fühlen, agieren sie auch sozialer, sagt Frederik Tetzlaff.
"Zu lernen zum einen 'Ich bin nicht aus Glas' und 'Wo sind meine eigenen Grenzen?' und zum anderen 'Was kann es anrichten, wenn ich jemand anderen angehe?', das ist Gewaltkompetenz."
Maximilian versucht ebenfalls, Anerkennung in alternativen Bereichen zu schaffen, damit sich bereits gewaltbereite Jugendliche selbstbewusster fühlen. Er glaubt, dass gerade mangelndes Selbstbewusstsein und Unsicherheit zu Gewaltbereitschaft führen.
Außerdem sei es wichtig, über Gewaltkompetenz zu verfügen. Wer weiß, wie stark er oder sie sein kann und was diese Gewalt für Konsequenzen für sich selbst und die Angegriffenen haben kann, der sei meistens nicht gewalttätig. Auch hier spielen die Faktoren Empathie, Selbstbewusstsein und Sicherheit demnach eine große Rolle.
Meldet euch!
Ihr könnt das Team von Facts & Feelings über WhatsApp erreichen.
Uns interessiert: Was beschäftigt euch? Habt ihr ein Thema, über das wir unbedingt in der Sendung und im Podcast sprechen sollen?
Schickt uns eine Sprachnachricht oder schreibt uns per 0160-91360852 oder an factsundfeelings@deutschlandradio.de.
Wichtig: Wenn ihr diese Nummer speichert und uns eine Nachricht schickt, akzeptiert ihr unsere Regeln zum Datenschutz und bei WhatsApp die Datenschutzrichtlinien von WhatsApp.
- Maximilian Pollux hat sich in der Vergangenheit immer wieder geschlagen, heute ist er u.a. Anti-Gewalt-Trainer.
- Frederik Tetzlaff arbeitet bei der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention zu Entwicklungsförderung und Gewaltprävention.