Platonic Life Partnerships sind mehr als Freundschaften – und doch keine Liebesbeziehungen. Soziologin Leoni Linek erklärt, um was es dabei für viele gehen kann und wie individuell die Beziehungen in unserem Leben schon sind. Jenny führt selbst eine Platonic Life Partnership.
Das traditionelle Familienbild und die Suche nach der einen großen Liebe ist für viele Menschen längst überholt. Auch gesellschaftlich weicht die strikte Trennung von Liebe und Freundschaft auf, sagt Soziologin Leoni Linek. Im Konzept der Platonic Life Partnerships manifestiert sich der Wunsch nach einer Freundschaft, die aber trotzdem eine umfassendere Verantwortung füreinander bedeutet – nur eben ohne Sex.
Wunsch nach stabileren Beziehungen
Die Verantwortung kann sich auf verschiedene Bereiche erstrecken: auf eine gemeinsame Familienplanung, eine gemeinsame Wohnung oder eine geteilte finanzielle Anlage. Dahinter stehe oft der Gedanke, dass Freundschaften die stabileren Beziehungen sind: Kaum jemand geht bei einer Freundschaft von einer zeitlichen Befristung aus, erklärt Leoni Linek.
Die Vermutung der Soziologin ist: Vielleicht geben uns Freundschaften öfter das Gefühl, dass diese Beziehung tatsächlich für immer bestehen kann – weil die Beziehung flexibler ist und meist auf mehr individuellen Freiräumen beruht. Sie habe nicht den totalen Anspruch, alle Bereiche des Lebens in die Beziehung zu integrieren.
"Es geht nicht darum, ob das gesünder ist oder nicht, sondern um die Frage: Können wir Freundschaft anders denken als jetzt? Ganz viel was wir bisher mit Freundschaft assoziieren, definieren wir nur in Abgrenzung zur Liebesbeziehung."
Die traditionelle, romantische Liebe ist dagegen mit Vorstellungen und Ansprüchen geradezu überfrachtet: Der oder die Partner*in soll möglichst viele Bedürfnisse erfüllen. Für die Soziologin stellt sich daher die Frage, was wir von Liebesbeziehungen und Freundschaften erwarten, wenn wir die Grenzen nicht so strikt ziehen, sondern gewisse Aufgaben und Erwartungen auslagern oder umtauschen.
Dabei ist besonders wichtig: Jede Freundschaft und jede Art von Beziehung ist individuell – und das nicht nur von Person zu Person, sondern auch von Beziehung zu Beziehung. Wir haben unterschiedliche Vorstellungen und Wünsche für eine Freundschaft und die können sich während des Lebens auch oft ändern.
"Viele Menschen sehen eine enge Freundschaft ähnlich wie eine Partnerschaft, nämlich als Beziehung in der wir sehr wohl individuelle Vorstellungen und Regeln aushandeln, Verletzungen anklagen und über unsere Emotionen kommunizieren."
Dabei können sich Menschen eben auch für eine Platonic Life Partnership entscheiden und diese individuell gestalten. Diese Art von Beziehung soll bald auch gesetzlich verankert werden können. Die FDP fordert das Konzept einer "Verantwortungsgemeinschaft" – damit auch Menschen die in partnerschaftsähnlichen Beziehungen leben mehr Rechte haben können.
Einerseits Fortschritt, andererseits staatliche Interessen
Soiziologin Leoni Linek begrüßt den Vorschlag zwar einerseits, denn er kommt der langjährigen Forderung von LGBTQ-Communities nach und erkennt an, dass sich gesellschaftliche Konzeptionen von Familie ändern.
Dennoch plädiert sie für einen reflektierten Umgang mit den politischen Forderungen. Denn dahinter würden stets auch Interessen stecken. Bisher habe der Staat die Familien- und Paarbeziehungen in eine finanzielle Verantwortung gezogen – da aber immer weniger Menschen diesem traditionellen Bild entsprechen, müsse der Bereich ausgeweitet werden. Die Institutionalisierung könne außerdem auf anderer Ebene auch dazu führen, dass die frei gedachten und konzipierten Freundschaften wieder in Pflichten genommen werden.
"Ich habe mir nicht vorgenommen, eine platonische Lebenspartnerin zu finden. Das ist eher einfach passiert."
Jenny ist 26 Jahre alt und führt selbst eine Platonic Life Partnership mit ihrer besten Freundin. Für sie bedeutet das: Sie ist die erste Ansprechpartnerin in allen Fragen, der Mensch der einfach zu ihr gehört. Das hat sie nicht so geplant, die Beziehung ist so gewachsen, erzählt Jenny.
Ihre beste Freundin ist zwar jetzt umgezogen und wohnt drei Stunden mit dem Auto entfernt – ihre Beziehung stand dadurch aber nicht in Frage. Verändert hat sich zu Anfang aber trotzdem einiges. Mittlerweile haben sie sich an die Fernbeziehung gewöhnt. Sie sind täglich in Kontakt und haben ausgemacht, jeden Abend zu telefonieren.
"Ich habe meinem Partner das gar nicht groß erklärt, sondern gesagt: Wenn du mein Partner bist, bekommst du die mit."
Jenny hat seit kurzem auch einen festen Partner. Dass er ihre beste Freundin kennenlernt, war ihr besonders wichtig. Zum Glück verstehen sie sich gut.
Bei Jenny und ihrer beste Freundin gab es nicht den einen Moment, in dem sie sich versprochen haben, in einer Platonic Life Partnership zu sein. Sie haben aber gesagt, falls die Regierung die "Verantwortungsgemeinschaft" tatsächlich umsetzt, wollen auch sie sich eintragen lassen.
Wie sich Jenny ihre Zukunft vorstellt, welche Rolle ihre beste Freundin dabei haben könnte und welche Gefahren es laut Soziologin Leoni Linek für die freie Freundschaft haben könnte, wenn sie institutionalisiert wird, hört ihr in der Ab 21.
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