Angesichts der jüngsten Messerattacke in Mannheim ist von einem Anstieg solcher Delikte die Rede. Elena Rausch, Kriminologin aus Wiesbaden, forscht zum Thema Messergewalt und erklärt, wie die Statistiken zu verstehen sind.
Am vergangenen Freitag (01.06.24) hat ein Mann auf dem Mannheimer Marktplatz mehrere Menschen mit einem Messer attackiert. Dabei wurden sechs Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt. Ein Polizist starb an seinen Verletzungen.
Der Angriff in Mannheim hat Entsetzen und Trauer ausgelöst. Letztes Jahr erschütterte ein tödlicher Messerangriff in einem Regionalzug in Schleswig-Holstein die Republik. Steigt die Zahl der Messerangriffe an, oder ist das nur unser Eindruck?
Was die Zahlen aussagen
Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik (PDF) gab es im vergangenen Jahr knapp 9.000 Messerangriffe, das sind etwa 800 mehr als 2022.
Elena Rausch ist Kriminologin und forscht zum Thema Messergewalt in der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden. Sie betont: In der Statistik sind alle Delikte abgebildet, bei denen ein Messer eingesetzt oder mit einem Messer gedroht wird.
"Über den langen Zeitraum zeichnet sich kein drastischer Anstieg ab, in den letzten beiden Jahren allerdings ein tendenzieller."
Der Anstieg der Zahlen bei den Messerattacken korrespondiere allerdings in etwa mit dem allgemeinen Anstieg von Gewaltdelikten in Deutschland. Es gebe zwar häufig Angriffe, diese verliefen aber selten tödlich: In 60 Prozent der Fälle bleiben die Opfer einer Messerattacke unverletzt, 30 Prozent werden leicht verletzt und nur rund 10 Prozent verlaufen tödlich oder mit Schwerverletzten.
Keine bestimmte Tätergruppe
Bei Messerattacken gebe es weder den einen Täter oder die eine Täterin, noch eine bestimmte Art der Umstände, so die Kriminologin.
"Dadurch, dass man sich so sehr auf dieses Tatmittel fokussiert, fängt man sehr unterschiedliche Umstände, Motivationen und Täterpersönlichkeiten auf."
Die eskalierenden Konfliktsituationen reichen von Partnerschaftsgewalt und Femiziden über Attacken im öffentlichen Raum bis hin zu Täterpersonen in psychischen Ausnahmezuständen aufgrund von Krankheiten oder Substanzkonsum. Auch Jugend- und Subkulturen, in denen Messer ein Statussymbol sind, spielten eine Rolle, erklärt Elena Rausch.
Leichte Verfügbarkeit von Messern
Der Schlüssel zur Häufigkeit von Messerattacken ist laut der Expertin die leichte Verfügbarkeit der Waffe hierzulande. In der Regel ist sehr wenig Aufwand nötig, um an ein Messer zu kommen. Oft sind es Küchenmesser oder einfache Taschenmesser, die bei den Attacken benutzt werden.
Das erkläre auch den Unterschied zu den USA, wo es kaum Messerattacken gibt, weil dort Schusswaffen viel leichter verfügbar sind als in Deutschland und häufiger zu diesen gegriffen wird.
"Die Verfügbarkeit ist entscheidend, wenn ein Konflikt eskaliert."
Einige Städte in Deutschland haben Waffenverbotszonen eingerichtet, wo auch das Mitführen von Messern verboten ist. Diese hält Elena Rausch nur in den Fällen für wirksam, in denen das Messer bereits mitgeführt wird. Es sei außerdem fraglich, ob sich jemand in einer eskalierenden Situation oder in einem psychischen Ausnahmezustand an solche Verbotszonen hält.
Keine eindimensionalen Lösungen
Statt eindimensionaler Lösungen hält die Kriminologin es für ratsam, sich weniger auf das Tatmittel als vielmehr auf die Ursachen und Risikofaktoren solcher Angriffe zu konzentrieren, um sie zu verhindern oder zu minimieren.
Im Bild oben: Blumen liegen auf dem Mannheimer Marktplatz für den Polizisten, der durch eine Messerattacke ums Leben kam.