Wohin mit dem Atommüll? Ein Vorschlag, sich der Antwort auf diese Frage zu nähern, ist die Transmutation. Durch das Verfahren ist der Atommüll weniger radioaktiv.
Ende 2022 geht das letzte Atomkraftwerk in Deutschland vom Netz. Das ist schon lange beschlossene Sache. Die Frage, wo der Atommüll dann eigentlich hinkommt, bleibt unklar. Bis 2031 soll die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ein sicheres Endlager finden, in dem der deutsche Atommüll ab 2050 lagern kann.
Hierbei geht es vor allem um die Sicherheit: Im unterirdischen Endlager soll der Atommüll so gelagert werden, dass er für eine Million Jahre keine Gefahr darstellt. Alleine vom hoch radioaktiven Atommüll müssten dann rund 10.500 Tonnen in den Endlagern unterkommen, schätzt die BGE.
Transmutation: Atommüll entschärfen
In der Diskussion um klimafreundliche Energiequellen wird trotzdem häufig die Atomkraft weiter genannt. Das Problem mit dem Atommüll wollen die Befürworter*innen der Kernkraft mithilfe von Transmutation lösen. Bei dem Verfahren wird Atommüll entschärft, damit er weniger als ursprünglich strahlt. Statt mehrere Hunderttausend Jahre strahlt der atomare Müll dann mehrere Hundert Jahre.
Dafür werden die Atomkerne aus Atommüll wie Plutonium in kleinste Bruchstücke zerschlagen, die gar nicht mehr oder zumindest wesentlich weniger radioaktiv sind, erklärt Wissenschaftsjournalist Frank Grotelüschen. Möglich ist das etwa mit Neutronen, also kleinen Kernteilchen. Sie werden mit einer Mindestgeschwindigkeit von einigen 1000 Kilometern pro Sekunde in hoher Zahl auf das Plutonium geschossen, bis es sich spaltet.
Transmutation mit Brutreaktor oder Teilchenbeschleuniger
Für die Transmutation gibt es zwei Technologien:
- Reaktorbetriebene Systeme: Die sogenannten Brutreaktoren wurden bisher nur für militärische Zwecke benutzt, um Waffenplutonium herzustellen. Weil dieser Reaktortyp viele schnelle Neutronen erzeugen kann, wird er auch "schneller Brüter" genannt. Im Vergleich zu herkömmlichen Reaktoren gelten Brutreaktoren aber auch als schwerer kontrollierbar und damit als gefährlicher. Mit ihnen wird ein höheres Risiko für einen Reaktorunfall verbunden.
In Russland gibt es seit 2016 einen Brutreaktor. Seitdem entschärft er Waffenplutonim, was technisch gesehen einfacher ist, sagt der Wissenschaftsjournalist. Die Kernwaffen bestehen anders als der Atommüll aus reinem Plutonium. Atommüll ist hingegen ein Gemisch aus mehreren radioaktiven Stoffen. Hier sei eine Transmutation möglich, aber schwieriger. - Beschleunigerbetriebene Systeme: Ein Teilchenbeschleuniger bringt Teilchen fast auf Lichtgeschwindigkeit und feuert sie auf eine Zielscheibe aus Metall. Die dadurch erzeugten Neuronen können wiederum den Atommüll entschärfen.
Teilchenbeschleuniger haben verglichen mit Brutreaktoren ein deutlich geringeres Risiko. Die Teilchenbeschleuniger, die es bisher gibt, wurden aber für einen anderen Zweck gebaut und wären nur in der Lage, wenige Gramm des Atommülls zu entschärfen. In Belgien entsteht eine Pilotanlage, die frühestens in zwölf Jahren in Betrieb gehen soll.
Transmutation: ein Verfahren in der Theorie
Das Entschärfen von Atommüll ist also möglich – zumindest in der Theorie. Bis beide Technologien aber mehrere Tonnen des radioaktiven Mülls unschädlich machen können, braucht es noch einiges an Forschung und Entwicklung. Frank Grotelüschen schätzt, bis dahin könnten noch ein paar Jahrzehnte vergehen.
Für beide Verfahren bräuchte es auch Wiederaufarbeitungsanlagen, die den Atommüll erst in seine Einzelteile zerlegen, bevor er von den Brutreaktoren oder Teilchenbeschleunigern zerstört werden kann. Zumal ist etwa ein Drittel des deutschen Atommülls in Glas eingeschmolzen, das laut Fachleuten nicht mehr aufgebrochen werden sollte. Das wäre wiederum eine Voraussetzung für die Transmutation.
"Deutschland hat der Transmutation im Grunde schon eine klare Absage erteilt."
Mit dem Bau neuer Kraftwerke und Anlagen wäre die Transmutation aber auch der Wiedereinstieg in die Nutzung der Kernenergie. Den Bau der Anlagen sieht der Wissenschaftsjournalist in Deutschland allerdings nicht. Dafür treffe die Kernkraft auf zu wenig Zuspruch. In der Theorie funktioniert die Transmutation also. In der Praxis wird die Technologie – zumindest in Deutschland – sehr wahrscheinlich nicht umgesetzt.
In Ländern wie Frankreich oder Russland, die weiter auf Atomenergie setzen, hält er Transmutationsanlagen eher für wahrscheinlich. Eine schnelle Lösung ist es aber nicht, sagt er.
Und auch mit Transmutation bräuchte es ein Endlager für den Atommüll – auch wenn es kleiner ausfallen könnte. Fachleute schätzen, dass etwa 10 Prozent des Atommülls trotz der Entschärfung weiter strahlen würde.
Unser Bild zeigt die Castor-Behälter im Zwischenlager Gorleben, mit denen der hoch radioaktive Atommüll isoliert wird.