Die neuen EU-Asylpläne sehen unter anderem vor, dass in nordafrikanischen Ländern wie Tunesien Asylzentren eingerichtet werden, in denen Grenzverfahren durchgeführt werden sollen. Vor Ort sind weder die Politik noch die Bevölkerung begeistert.
Die Idee, Asylzentren an den EU-Außengrenzen einzurichten, um vorprüfen zu können, welche Asylbewerberinnen und -bewerber überhaupt einen Antrag auf ein Bleiberecht stellen dürften, ist nicht neu. Und so hat sich auch nach dem Bekanntgeben der neuen EU-Asylpläne der Standpunkt der betroffenen Länder Algerien, Marokko und Tunesien nicht verändert, sagt Mustafa Benali, Dlf-Korrespondent in Rabat:
- Die Regierung in Tunesien lehnt die Asylzentren mit dem Verweis auf die eigene Staatssicherheit ab: Die Gesellschaft im Land sei jetzt schon politisch und wirtschaftlich sehr unzufrieden, so könnten die geplanten Zentren die Unruhen weiter verschärfen und zusätzliche auslösen.
- Algerien sieht es ähnlich. Das Land nahm bisher bewusst keine Gelder von der EU für Geflüchtete an und versucht, Migranten immer sofort in ihre Heimatländer zurückzubringen.
- Auch die Regierung von Marokko hat sich schon mehrfach gegen die geplanten Zentren ausgesprochen. Für Außenminister Nasser Bourita sind sie keine Option und kontraproduktiv. Man wolle nicht die Polizei Europas sein und man erhalte ja bereits viel Geld von der EU, um Geflüchtete auf dem Weg nach Europa zu stoppen.
Zudem betonen alle drei Länder immer wieder die europäische Verantwortung, sagt unser Korrespondent. Die Aufgabe dürfe nicht einseitig von den afrikanischen Ländern gelöst werden müssen, so ihr Standpunkt.
"Die Befürchtung der Länder ist, dass die Bürde der Migration einseitig auf afrikanischer Seite liegt."
Sorge in Tunesien um Stabilität
Auch die Bevölkerung der betroffenen Länder ist von den EU-Asylzentren nicht begeistert. In Tunesien etwa sei die Sorge sehr groß, dass sich die Probleme des Landes weiter verschärfen, sagt Mustafa Benali. Das Land ist derzeit hoch verschuldet und vor allem junge Menschen finden kaum einen Job. Bei jungen Akademikern liegt die Arbeitslosenquote bei 30 Prozent.
"In Tunesien gibt es für junge Menschen kaum Perspektiven, sodass sie selbst die Flucht ergreifen – entweder in andere Nachbarstaaten oder über das Mittelmeer Richtung Italien."
Deshalb fliehen junge Tunesierinnen und Tunesier oft selbst aus ihrem Land in Nachbarländer oder Richtung Europa über das Mittelmeer.
Kriselndes Verhältnis zwischen Marokko und Spanien
Grundsätzlich kriselt das Verhältnis der nordafrikanischen Staaten mit den europäischen Ländern bei der Migrationsthematik. Speziell zwischen Spanien und Marokko ist der Beziehungsstatus kompliziert, sagt Mustafa Benali. In vielen Punkten wie Migration, Energie und Arbeit sind die beiden Nachbarn eng miteinander verbunden. Der marokkanische König Mohammed VI. sieht in Spanien zudem den wichtigsten Wirtschaftspartners seines Landes.
"Speziell das Verhältnis zwischen Spanien und Marokko ist ein Auf und Ab."
Aktuell ist die Beziehung also gut, doch das sei keine Garantie für die Zukunft, so Mustafa Benali. Dafür gab es in der Vergangenheit viel zu oft Verwerfungen. Vor zwei Jahren steckten die beiden Länder im Streit um die Westsahara in einer schweren diplomatischen Krise.
Gezeigt hatte sich diese auch in steigenden Migrationszahlen: Die Grenzzäune zu den beiden spanischen Exklaven Ceuta und Melilla gelten als eine Art Fieberthermometer der diplomatischen Beziehungen, erklärt Mustafa Benali. Als also vor zwei Jahren die Beziehung zwischen Rabat und Madrid problematisch war, ist es mehreren tausend Migranten gelungen, die Grenzanlage in Ceuta zu passieren. Spanien warf Marokko danach vor, die Menschen absichtlich durchgelassen zu haben.
Viele Fragen zur Realisierung offen
Mustafa Benali sieht die Einrichtung von Asylzentren an den EU-Außengrenzen aktuell als nicht besonders realistisch an. Marokko, Algerien und vor allem Tunesien streben derzeit nach wirtschaftlicher Stabilität – und neue Asylzentren würden auch mehr Flüchtlinge bedeuten und die grundsätzliche Stabilität der Länder weiter gefährden.
"Gerade Tunesien möchte keine politischen Unruhen in Kauf nehmen. Präsident Kais Saied betont immer wieder, wie wichtig ihm die Stabilität des Landes ist."
Zudem seien noch viele Fragen offen:
- Wie schnell können Asylanträge bearbeitet werden?
- Wie werden die Menschen in den Zentren der drei Länder versorgt, in denen auch Menschenrechtsorganisationen immer wieder von Menschenrechtsverletzungen sprechen?
- Wie sieht die Lage der Migranten und Geflüchteten in den Zentren aus?
- Was passiert, wenn Asylanträge abgelehnt werden?
- Wie wird der Rücktransport in die Heimatländer organisiert?
Die Migrationsfrage, so die betroffenen Staaten, könne durch die geplanten Zentren nicht gelöst werden. Mustafa Benali stimmt dem zu: Die Zentren sind nur ein Baustein einer umfassenderen Migrationspolitik, die eine gemeinsame Aufgabe für die EU und Marokko, Tunesien und Algerien sein wird.