Assistenzhunde können Menschen mit körperlichen Einschränkungen helfen, aber auch psychisch Erkrankte im Alltag unterstützen. Meistens sind sie die treusten Begleiter in jeder Situation – oft treuer als Menschen.
Sie können ihre Besitzerinnen bei Wutanfällen beruhigen oder helfen ihnen bei einer Panikattacke aus Menschenmengen heraus: Assistenzhunde. Bianka Niemeyer aus Soest bildet jedes Jahr ungefähr zehn solcher helfenden Tiere aus.
Anforderungen an Assistenzhunde sehr individuell
Die Krankheiten und dementsprechenden Bedürfnisse ihrer Kundinnen sind dabei sehr unterschiedlich. Beispielsweise erreichen sie Anfragen von Rollstuhlfahrern, Schwerhörigen, Demenz-Patientinnen oder Personen mit psychischen Erkrankungen wie einer Posttraumatischen Belastungsstörung.
Bis vor einem Monat hatte die Hundetrainerin Bianka Niemeyer ihren eigenen Hund Baily, Arielle, einen schwarzen Labradudel und Lucky, einen Australian Shepherd zuhause. Am 3. Mai wurde Lucky an eine neue Besitzerin übergeben. Zeitgleich kam der zehn Wochen alte Collie-Welpe Nico zu ihr.
Sicherheit durch Anwesenheit
Luckys neue Besitzerin leidet unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Häufig sind Personen mit PTBS in ihrer Alltagsbewältigung sehr eingeschränkt, erklärt Solveig Burauen, die in Bielefeld ebenfalls Assistenzhunde ausbildet.
Genau dabei, bei der Alltagsbewältigung, können ihnen die Hunde viel Sicherheit geben – beispielsweise, indem sie zuhause Räume absuchen, in denen die Betroffene andere Personen vermutet. Schon alleine durch ihre Anwesenheit können sie Angstzuständen, wie etwa Panikattacken in der Öffentlichkeit, vorbeugen, erzählt die Ausbilderin.
Luckys neue Besitzerin beispielsweise leidet jede Nacht unter Alpträumen, aus denen sie ihr neuer Begleiter weckt und danach das Licht anmacht. Dann weiß sie: Ich bin zuhause, alles ist gut, erzählt Bianka Niemeyer. Sie bekommt jeden Tag eine Nachricht, was Lucky gut oder auch schlecht gemacht hat.
Darin erzähle die neue Besitzerin auch oft, wie ihre Freude von Tag zu Tag wieder wachse. Und genau darauf kommt es der Hundetrainerin an, sagt sie: dass die betroffenen Personen wieder Lebensfreude spüren und einen Sinn im Leben sehen.
"Das Wichtige ist eigentlich, dass sie wieder Lebensfreude bekommen und Sinn im Leben sehen."
Training auch beim Gassigehen
Eine Trainingseinheit bei Bianka Niemeyer findet beispielsweise beim Gassigehen statt. Dafür geht die Trainerin mit jedem Hund einzeln spazieren. Auf dem Weg hält sie immer wieder an und gibt den Hunden verschiedene Aufgaben.
Mit Arielle, dem Ladradudel, übt sie beispielsweise das Hinsetzen auf Zuruf, während sie einige Meter weit entfernt von dem Hund steht. Das wird solange geübt, bis es klappt. Bianka hat hohe Ansprüche an ihre Assistenzhunde, sagt sie, denn auch bei ihren zukünftigen Einsätzen wird den Hunden viel abverlangt werden.
"Also alles, was nicht richtig funktioniert, mache ich im Anschluss nochmal, damit’s auch richtig funktioniert. Da hat jeder Mensch eben seine eigenen Ansprüche. Aber ich als Assistenzhundetrainerin muss die halt recht hoch legen."
Arielle wird im August zwei Jahre alt und soll dann in einem Kinderheim eingesetzt werden. Ihre neue Besitzerin wird ein zehn Jahre altes Mädchen mit der Diagnose Fetales Alkoholsyndrom (FAS), sein – ihre Mutter trank während der Schwangerschaft Alkohol, das Mädchen hat dadurch bleibende Schäden.
Treuer Begleiter durch den Alltag
Arielles Aufgabe wird es sein, das Mädchen als treue Begleiterin durch den Tag zu führen. Beispielsweise soll der Hund sie morgens wecken, das Licht anmachen und gute Laune verbreiten. In unangenehmen Situationen soll Arielle Distanz zu anderen Menschen schaffen und der Besitzerin dadurch ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Auch das wird beim Spazieren trainiert: Wenn Bianka Niemeyer eine Handbewegung macht, stellt sich Arielle sofort dicht hinter sie.
Trainieren für konkrete Situationen
In der Ausbildung werden die Hunde auch auf ganz konkrete Situationen vorbereitet, erklärt die Ausbilderin Solveig Burauen. Beispielsweise lernen sie, eine Sitzgelegenheit für ihre Herrchen zu suchen, oder durch antrainiertes Verhalten der Besitzerin schon vorher anzuzeigen, dass sich beispielsweise ein Zustand der Dissoziation anbahnt. Dabei fühlen sich die Betroffenen oft losgelöst von ihrem Körper und ihrer Umgebung und merken nicht, dass sie beispielsweise seit Stunden ziellos durch die Stadt laufen.
"Die Hunde lernen auch ganz konkrete Aufgaben, wie beispielsweise eine Sitzgelegenheit aufzusuchen."
Auch der junge Collie Nico wird nach seiner Ausbildung in eine Pflegefamilie mit einem Kind mit fetalem Alkoholsyndrom kommen. Er soll dort beispielsweise verhindern, dass das Kind bei einem Wutanfall wegrennt und es beruhigen. Das ist teilweise nicht ungefährlich für den Hund, da auch mal Fenster oder Fernseher bei einem Anfall zerstört werden. Auch nach dem Anfall soll der Collie Nico für das Kind da sein, damit es merkt: "Mein Freund ist immer noch da", erzählt Bianka Niemeyer.
Zweijährige Ausbildung
Die vollständige Ausbildung zum Assistenzhund dauert in der Regel zwei Jahre. Je nachdem, wie intensiv trainiert werden muss, kostete eine Ausbildung zwischen 7000 und 17000 Euro.
Ist die Prüfung erfolgreich bestanden, bekommen die Hunde einen offiziellen Ausweis und eine Weste. Dann dürfen sie ihre Besitzerinnen an viele Orte begleiten, die Hunden sonst verwehrt bleiben. Eine verbindliche rechtliche Regelung, dass die Hunde wirklich überall mit hindürfen, gibt es aber bislang noch nicht.
Im Interview mit Solveig Burauen erfahrt ihr außerdem, warum Hunde epileptische Anfälle oder andere Zustände schon vor ihren Herrchen wahrnehmen können und welche Hunde sich besonders für eine Ausbildung eignen. Zum Hören des Interviews klickt oben auf den Play-Button in Solveig Burauens Zitat. Für den Beitrag über Bianka Niemeyers Assistenzhunde, klickt einfach oben auf den Play-Button.