Autonomous Sensory Meridian Response – kurz ASMR – bezeichnet ein kribbelndes Gefühl, das sich auf der Kopfhaut und entlang des Nackens ausbreitet. Das Gefühl wird als entspannend und beruhigend empfunden. Zum ersten Mal haben Forscher dieses Phänomen nun wissenschaftlich untersucht.
Gentle Whispering ASMR ist ein Youtubekanal, bei dem uns die Macherin im Flüsterton und in Zeitlupe eine Stunde lang davon erzählt, wie sie uns die Haare schneidet. Das Video wurde mehr als neun Millionen Mal aufgerufen. ASMR, also "Autonomous Sensory Meridian Response", ist seit Jahren extrem beliebt, wurde bisher aber noch nie wissenschaftlich untersucht. Jetzt gibt es eine Studie der Universität Sheffield dazu.
ASMR wird gelegentlich auch als Gehirn-Orgasmus bezeichnet. Es geht dabei um ein Kribbeln, das sich von der Kopfhaut über den Nacken und die Wirbelsäule auf den ganzen Körper ausbreitet. Die Youtuber, die ihre ASMR-Videos ins Netz stellen, erreichen das – zumindest bei einigen Zuschauern – indem sie flüstern und leise Geräusche produzieren. Etwa wenn sie mit Folie rascheln oder vorsichtig mit langen lackierten Fingernägeln auf einen Plastikball tippen. Die beliebtesten Clips haben schon mehr als 20 Millionen Aufrufe.
"ASMR ist eine Community von Menschen, bei denen diese Reize eine körperliche Reaktion hervorruft, die als extrem angenehm empfunden wird."
Franca Parianen ist soziale Neurowissenschaftlerin und arbeitet am Helmholz Institut in Utrecht. Sie kann verstehen, dass diese Geräusche, die nach sehr nahen Berührungen klingen, eine Gänsehaut verursachen. Sie weiß auch aus Studien, dass den Menschen, die diese Videos gerne schauen, auch die persönliche Ansprache wichtig ist.
Eine Studie der Universität Sheffield hat sich jetzt zum ersten Mal wissenschaftlich mit dem Effekt von ASMR-Videos beschäftigt. Die Forscher sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es bei den Menschen, die auf ASMR anspringen, tatsächlich helfen kann, über Schlafstörungen oder depressive Stimmungen hinwegzukommen. Aber eben nur, wenn man darauf anspringt.
"Das Gleiche passiert zum Beispiel ja auch, wenn wir eine Folterszene gucken und man denkt: Oh Gott, das kann ich gar nicht mit angucken und muss vorspulen."
Franca Parianen sagt, dass die Videos im Prinzip wie Horrorfilme funktionieren – nur eben im positiven Sinne. In Horrorfilmen sehen wir Blut, hören Knochen knacken und fühlen etwas – auch wenn das Ganze nur auf der Leinwand passiert. Genauso ist es bei ASMR, wir hören die Nähe der leisen Geräusche und – bei manchen von uns – löst das einen wohligen Schauer aus. Das heißt, einige Menschen können sich das, was bei ASMR Videos eindeutig fehlt – die Berührung, in ihrem Gehirn einfach ergänzen.
Unser Gehirn muss gleichzeitige Emotionen und Sinneswahrnehmungen zulassen
Christine Blume ist Neurowissenschaftlerin und Schlafforscherin an der Uni Salzburg und sie sagt, auf der neuronalen Ebene ist das Default Mode Network, kurz DMN beteiligt. Das ist eine Gruppe von Gehirnarealen, die beim Nichtstun aktiv werden. Laut Christine Blume "Ein Netzwerk, das zum Beispiel beim Tagträumen aktiv wird, aber auch bei Aufgaben, die mit unserer eigenen Vergangenheit zu tun haben."
Bei denjenigen, die beim Schauen der ASMR-Videos nichts fühlen, gehen Wissenschaftler davon aus, dass das gleichzeitige Einschalten von Emotionen und Sinneseindrücken im Gehirn unterdrückt ist. Heißt: Theoretisch könnten wir alle das Kribbeln fühlen, es kommt nur darauf an, ob unser Gehirn das zulässt oder nicht.
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